Sport kann mehr sein als nur Bewegung – er schafft Gemeinschaft und lässt Grenzen verschwinden. Wer dieselbe Leidenschaft teilt, braucht keine gemeinsamen Worte. Schon ein einfaches „Wie heißt du? Jak se jmenuješ?“ genügt, und das Eis ist gebrochen. Gerade nach der langen Zeit der Corona-Einschränkungen, in der viele grenzüberschreitende Kontakte auf Eis lagen, sind solche Begegnungen wieder besonders wertvoll. So haben sich auch die Skivereine der Oberlausitz aufgemacht, um diese Verbindungen neu zu knüpfen und alte Freundschaften aufleben zu lassen.
Seit jeher zieht es die Sportvereine aus der Oberlausitz zu Wettkämpfen ins tschechische Isergebirge, wo die Schneebedingungen im Winter oft verlässlicher sind als zu Hause im Zittauer Gebirge. So entstand die Idee, nicht nur Wettkämpfe zu besuchen, sondern echte Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen. Die Sportvereine aus Bertsdorf und Janov organisierten zwei gemeinsame Trainingscamps: Ein Crosslauf-Camp im Herbst in Olbersdorf und ein Ski-Trainingscamp im Winter in Bedřichov.
Das Crosslauf-Camp in Olbersdorf begann unter wettertechnisch widrigen Bedingungen. Während an vielen Orten die Menschen im strömenden Regen Schutz suchten, standen hier 30 unerschrockene Kinder und ihre Trainer bereit, das erste gemeinsame Training zu starten. Der Plan war, in der freien Natur zu trainieren: querfeldein, bergauf und bergab, bis hin zum Olbersdorfer See, wo auf dem neuen Pumptrack verschiedene Geschicklichkeitsübungen auf die Teilnehmer warteten. Doch das Wetter ließ diesen Plan ins Wasser fallen.
Stattdessen wurde kurzfristig die Halle der Grundschule in Olbersdorf zur Trainingsarena. Dank kreativer Organisation verwandelte sich die Halle in ein lebhaftes, vielseitiges Trainingsfeld. Nach einer lockeren Runde Ballspiele zum Aufwärmen warteten verschiedene Stationen auf die jungen Sportler: Hier konnten sie ihre Ausdauer, Kraft und Koordination trainieren. Ein Highlight war die Station mit dem Profi-Lasergewehr fürs Biathlon, die eine völlig neue Erfahrung bot. Zeit für weitere Spiele und Spaß blieb auch, und so verging der Nachmittag im Nu.
Als der Regen endlich nachließ, ging es doch noch nach draußen. Mit der „Bimmelbahn“ fuhren die Kinder zurück nach Olbersdorf, wo schon der Grill vorbereitet war. Kein Lagerfeuer, aber ein gemütliches Grillfest unter der überdachten Terrasse – und mit einer spannenden Tischtennisrunde, die zeigte: Energiereserven waren noch da.
Was haben wir an diesem Wochenende gelernt? Dass das Wetter nicht darüber entscheidet, ob wir Spaß haben oder nicht – wir sind selbst dafür verantwortlich. Der Enthusiasmus, die Flexibilität und der Zusammenhalt zeigten, dass Sportler auch in widrigsten Bedingungen zusammenhalten. Der Regen ließ die Grenzen, die wir sonst auf der Landkarte ziehen, vollkommen verschwinden. Gerade in diesen besonderen Momenten sind es nicht Medaillen oder Bestzeiten, die zählen, sondern das Gemeinschaftsgefühl, das bleibt – und die Freude, gemeinsam etwas Besonderes zu erleben.
Ein Dreiländereck ist ein Ort, wo die Grenzen dreier Staaten aufeinandertreffen. Auf der Karte Europas gibt es davon Dutzende. Das deutsch-tschechisch-polnische Dreiländereck liegt am Zusammenfluss des Ullersbachs (Oldřichovský potok) mit der Lausitzer Neiße, wobei die Staatsgrenzen in der Mitte der beiden Flüsse verlaufen. Es befindet sich knapp 2 km vom Zentrum der Stadt Hrádek nad Nisou entfernt, unweit von Zittau und dem polnischen Bogatynia.
An diesem symbolträchtigen Ort finden das Volksfest „Auf dem gemeinsamen Weg“ und ökumenische Gottesdienste statt. Im Juni überbringt hier die Neiße-Fee auf dem Fluss eine Botschaft und im Dezember werfen die Bewohner des Dreiländerecks eine Flaschenpost ins Wasser.
Ich hatte an diesem Ort zuletzt, Ende August 2020, eine Demonstration gegen die abermalige Erweiterung des polnischen Braunkohlentagebaus Turów erlebt. Der in unmittelbarer Nähe zur deutschen und tschechischen Grenze gelegene Tagebau förderte damals rechtswidrig Kohle, und die tschechische Regierung hatte bei der Europäischen Kommission den ersten Impuls für eine Klage beim Europäischen Gerichtshof gegeben. Organisatoren der Demonstration waren Leute aus der Hrádeker Gegend, repräsentiert durch die Gruppe Hlavou proto Turów, die Organisation Greenpeace Česká republika, die Ortsgruppe Greenpeace Oberlausitz und die polnische Organisation Rozwój TAK – Odkrywky NIE. Teil des Protests waren auch eine durch das Gebiet aller drei Staaten verlaufende Menschenkette und eine Bootsfahrt mehrerer Dutzend Teilnehmender auf der Neiße. Die Organisatoren wollten auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Lösung für die allgegenwärtige Klimakrise verweisen. Der internationale Streit wurde jedoch im Februar 2022 schließlich durch ein eilig und nicht ganz transparent abgeschlossenes Abkommen zwischen den Regierungen Polens und der Tschechischen Republik beigelegt. In Turów wird daher nach wie vor Kohle gefördert – die Folgen bedrohen noch immer das Leben der Anwohner und stehen im Widerspruch zu den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens und den Zielen des Green Deals. Turów bleibt somit ein explosives Thema, und das nicht nur im Dreiländereck.
Das kann oder muss man jedoch manchmal vergessen, denn im Dreiländereck tun sich seither auch andere Dinge. Am Samstag, dem 27. April 2024, wurde hier an die „Sternstunde Europas“ erinnert – an die Feier zur EU-Erweiterung im Jahr 2004, die 2007 mit dem Beitritt Polens und der Tschechischen Republik zum Schengen-Raum vollendet wurde. Die tschechisch-polnische Grenze kann man derzeit auf einem Steg über den Ullersbach überqueren. Die Ufer der Neiße verband einst die sogenannte Himmelsbrücke, die sich 200 Meter flussabwärts vom Dreiländereck befand, aber aufgrund ihres schlechten technischen Zustands abgerissen wurde. Danach hatten sich die Städte Hrádek nad Nisou, Zittau und Bogatynia für den Bau einer Dreiländer-Brücke (oder eher eines Fußgänger- und Radfahrerstegs) direkt am Zusammenfluss beider Flüsse stark gemacht. Dieses Projekt erwies sich jedoch aufgrund der unterschiedlichen Rechtslage in allen drei Ländern als Utopie, als Science-Fiction, kurz: als unrealistisch. Und so musste zur 20-Jahr-Feier der EU-Erweiterung mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks eine provisorische Brücke vom deutschen zum tschechischen Ufer errichtet werden.
Am Tag der Feier konnte man daher ungestört zwischen den Ländern hin und her laufen. Es war ein sehr warmer Tag. Man musste auf die Trinkmenge achten und sich vor der gleißenden Sonne schützen, sodass man auf tschechischer Seite um ein Bier nicht herumkam, in Polen gierig ein Fruchteis verschlang und in Deutschland schließlich seinen Energietank mit allerlei Fast- und Junkfood auflud. Damit es nicht nur bei solch kulinarischen Erlebnissen blieb, fand auf dem Hauptpodium der Feier ein ganztägiges – vorwiegend musikalisches – Kulturprogramm mit lokalen Folkloreensembles, Tanzgruppen, klassischer und alternativer Musik statt. Dieses Hauptpodium befand sich auf tschechischer Seite. Auf polnischer Seite konnten sich vor allem die Kinder austoben, für die eine Hüpfburg und andere Attraktionen aufgebaut waren. Auf deutscher Seite präsentierten sich in seriöser Weise verschiedenste grenzübergreifend tätige Organisationen und Initiativen, darunter auch der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds.
An dessen Stand informierten wir gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen über die Tätigkeit des Fonds und über das laufende Programm „Ein Jahr an der Grenze“. Letzteres ist vielen noch immer neu, weshalb sein Sinn und Inhalt erläutert und an seiner Popularisierung gearbeitet werden muss. Die Besucher der Veranstaltung waren zumeist Einheimische aus dem Grenzgebiet, aus der Region Liberec und der Oberlausitz – also aus „meinen“ Regionen, an die sich das Programm unter anderem richtet. Sie hörten sich daher gerne an, worum es in dem Programm geht und was es zu bieten hat. Einige nahmen Visitenkarten mit und überlegten, wie sie „Ein Jahr an der Grenze“ selbst nutzen könnten. Und nach meiner fast einjährigen Tätigkeit in dem Programm konnte ich ihnen auch schon einzelne Beispiele für Networking und für zustande gekommene Kooperationen zwischen deutschen und tschechischen Akteuren vorstellen, so z.B. die Vernetzung regionaler Bibliotheken, kommunaler Kultureinrichtungen, ökologisch oder sozial ausgerichteter Bildungsorganisationen oder örtlicher Sportklubs. Diese Aktivität verlagerte sich dann für ungefähr eine Stunde in einen Festivalzug, der in regelmäßigen Abständen das ganze Dreiländereck abfuhr. Einen Waggon hatte nämlich der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds gemietet, um die Fahrgäste auf unterhaltsame Art über seine langjährige Tätigkeit in den deutsch-tschechischen Beziehungen zu informieren. In Form eines Gesprächs mit mir und meinem Kollegen Steffen Retzlaff sollte auch das vom Fonds organisierte Programm „Ein Jahr an der Grenze“ vorgestellt werden. Der erfahrene Moderator Justin Svoboda, der fast den ganzen Tag im Waggon verbracht hatte, kam jedoch zu dem vernünftigen Schluss, dass für das geplante Gespräch, in dem ich von meiner bisherigen Tätigkeit in der Grenzregion berichten sollte, während der Zugfahrt nicht gerade die besten Bedingungen herrschen. Daher schaltete er während der Fahrt lieber erholsame Lieder ein, ließ den zusteigenden Fahrgästen an jeder Station eine herzliche Begrüßung zuteilwerden, und während sie ein- und ausstiegen, vermittelten wir ihnen einen schnellen, aber intensiven Eindruck von den Erfolgen des Fonds während seiner 25-jährigen Tätigkeit wie auch von der Existenz des Programms „Ein Jahr an der Grenze“. Wer mehr wissen wollte, konnte uns natürlich fragen. Die meisten Fahrgäste waren jedoch froh, dass sie überhaupt in den Zug gekommen waren und eine Weile einfach so irgendwo hinfuhren….Auf diese Erfahrung folgte dann noch der Abschluss des Fests mit drei gemeinsamen Feuern – „Dreiländerfeuern“, wie im Programm zu lesen war. Auf jeder Seite der Grenze wurde ein großer Holzhaufen errichtet, der bei Einbruch der Dämmerung entzündet werden sollte. Dies war ein geplanter symbolischer Akt, an dem unter Aufsicht von Feuerwehrleuten auch Lokalpolitiker teilnahmen. Doch welcher Symbolgehalt ließ sich aus den einzelnen Feuern herauslesen? Das tschechische Feuer loderte als erstes auf, es brannte am schnellsten und erlosch auch zuerst. Das deutsche brannte beharrlich, mit durchschnittlich starker, beständiger Flamme und warf seinen Lichtschein auf die dunkel gewordene Neiße. Das war schön, aber auch etwas langweilig… Das polnische Feuer brannte, obwohl man es mehrfach und nicht gerade sparsam mit Benzin übergoss, erst lange Zeit gar nicht, und dann qualmte es mehr als es brannte. – Wie Turów, könnte man sagen. (Sorry für den Sarkasmus, doch es war ein etwas verlegener und komischer Abschluss des Tages.) Vielleicht wäre ja EIN gemeinsames Feuer besser gewesen, bei dessen Errichtung und Entzündung sich die drei Länder helfen und in dem sich die guten wie schlechten Eigenschaften von allen dreien verbinden… Vielleicht ja dann nächstes Mal, beim nächsten runden EU-Beitritts-Jubiläum im Dreiländereck! Vielleicht dann schon ohne Turów und mit einem gemeinsamen Feuer! Mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und einem weiteren „Jahr an der Grenze“! Und vielleicht auch schon mit einer Dreiländer-Brücke, deren gleichmäßige Brückenarme Symbol einer tatsächlichen Gleichberechtigung aller drei Länder im Rahmen einer EU sind!
Was passiert in diesem Jahr an der deutsch-tschechischen Grenze im Gebiet von Liberec (Reichenberg) und Horní Lužice (Oberlausitz), Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) und dem Elbtal? Es ist eine ganze Menge los! Hier ein ganz kurzer Überblick…
Derzeit bin ich noch voller Eindrücke aus Zittau, wo sich die Leiter und Besucher*innen des Jugendcafés Café X des Deutschen Kinderschutzbundes und die Leiter und Klient*innen der niederschwelligen Einrichtung Wafle der Organisation Rodina v centru aus Nový Bor (Haida) zum ersten Mal trafen. Es war ein sehr freundliches Treffen mit einem gemeinsamen Tischfußball- und Tischtennisspiel, das ohne größere Hindernisse bei der Kommunikation und beim Austausch verlief. Das einzige Hindernis tauchte unerwartet kurz vor dem Treffen auf. Es lag in der leider noch ungewissen Existenz des Cafés für das nächste Jahr, eine völlig neue, unangenehme, wenn auch noch nicht hundertprozentig bestätigte Nachricht, die keine der Gruppen vor dem Treffenstermin kannte. Das Treffen fand dennoch in einer erwartungsvollen Atmosphäre statt und wir werden die begonnene Partnerschaft auf jeden Fall weiter ausbauen, sei es mit dem Jugendcafé X oder dem Offenen Treff, einem Raum für jüngere Jugendliche und Kinder in derselben Einrichtung. So oder so, ich drücke dem Café X beide Daumen!
Es folgte eine abenteuerliche und unerwartet anstrengende Reise durch die eiskalte Nacht von Zittau über Dresden nach Chemnitz und die Teilnahme am dortigen Deutsch-Tschechischen Regionalforum. Was ich daraus mitgenommen habe, ist u.a. die Bestätigung meiner Meinung, dass jede Grenzgemeinde und jede größere Institution einen ständigen Koordinator*in für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit braucht, der sich langfristig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einsetzt, damit gemeinsame Partnerschaften und Projekte nachhaltig sind. Es wurde auch vorgeschlagen, dass dies eine in der Gesetzgebung verankerte Verpflichtung für die Grenzgemeinden sein sollte, zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum…
Am nächsten Tag in Chemnitz nutzte ich die Gelegenheit, mit der Plattform Kreativni.uk von Ústí nad Labem die zukünftige Kulturhauptstadt Europas zu besichtigen. Ich dachte an den Slogan „Chemnitz ist weder braun noch grau“, hinter dem sich die gleichnamige Initiative aktiver Bürger*innen verbirgt und die darauf hinweist, dass Chemnitz weder eine Stadt der (Neo)Nazis* oder Nationalist*innen ist, die durch die Farbe Braun symbolisiert werden, noch eine uninteressante graue postsozialistische Stadt mit rückläufiger Industrie. Und ich frage mich, ob so etwas auch Ústí nad Labem anstoßen könnte und ob Ústí in naher Zukunft Kulturhauptstadt Europas werden könnte? Bis jetzt scheint es wie ein Witz, aber paradoxerweise würde es Sinn machen.
Und dann ist da noch der wichtige erneute Besuch in Liberec, wo ich festgestellt habe, dass der Verein Tulipán, der sich auf die Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen konzentriert, mit einem sehr durchdachten und sinnvollen Konzept arbeitet. Seine Mitarbeiter*innen sind bestens vorbereitet und freuen sich auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Jetzt müssen sie nur noch eine Partnerorganisation auf deutscher Seite finden, was bisher in diesem Bereich aufgrund der Arbeitsbelastung der potenziellen Partner ein Problem war. Aber während der Destigmatisierungswoche mit dem Verein Tulipán hatte ich die Ehre, dabei zu helfen, den Weltrekord im massenhaften Zerplatzen von Plastikblasen zu brechen. Diese Blasen sind ein Symbol für die zerbrechliche menschliche Seele und werden ansonsten werden für die Verpackung von Produkten aus geschützten Werkstätten verwendet. Dieser symbolische Akt der Verbindung stimmte mich optimistisch…
Noch am gleichen Abend fand ich mich in einem Paralleluniversum in Liberec wieder, bei einem Weihnachts-Networking bei Lipo.ink, einem Liberecer Inkubator für vielversprechende Start-ups, wo das bereits 10. Treffen vom Verein „Frauen aus dem Norden“ organisiert wurde, der sich auf die Schaffung eines sicheren Raums für unternehmerisch aktive Frauen aus Nordböhmen, ihre Ausbildung und Emanzipation konzentriert. Den Frauen aus dem Norden wird nachgesagt, dass sie rauer, sportlicher und weniger gesellig sind als anderswo, aber der Verein konnte dieses Stereotyp erfolgreich überwinden und hat im vergangenen Jahr auch eine Zusammenarbeit mit der deutschen Initiative „Löbaulebt“ begonnen, die er gerne fortsetzen möchte. Alle bisherigen Teilnehmerinnen würden sich über gleichgesinnte Frauen aus Sachsen bei zukünftigen Treffen freuen.
Anfang November war für mich als Koordinatorin der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein Durchbruch in Sachen Vertrauen und Motivation, in dem ich an mehreren Veranstaltungen im Rahmen der Tage der tschechischen und deutschen Kultur teilnahm. Ein an sich etabliertes, für mich aber neu entdecktes Festival hat in diesem Jahr durch die Mithilfe der Stadthalle Hraničář in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) bei der Organisation auf tschechischer Seite und der Ausweitung des Programms auf kleinere Städte (außerhalb Dresdens tut sich immer mehr) einen neuen Atem bekommen zu haben. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mehr Veranstaltungen abseits des Mainstreams zu besuchen, die sich auf communities und Begegnungen konzentrieren. Und obwohl ich anfangs Zweifel hatte, ob ich bei diesen Veranstaltungen nur Akteure treffen würde, die bereits über die Grenze hinweg miteinander verbunden sind, stellte ich fest, dass das Spektrum der „Dienstleistungen“, die wir im Rahmen des Jahres an der Grenze anbieten, nämlich die Kontaktaufnahme mit aktiven Bürgern und Vereinen im Grenzgebiet, die Vermittlung von Kontakten zu gleichgesinnten Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen sowie die Zusammenführung von Personen, die an einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder Partnerschaft interessiert sind, hier großen Anklang fand.
So ging ich eines Tages zur Deutschkonversation in den „Deutschklub mit Überraschung!“ in Litoměřice (Leitmeritz), wo nun schon im 7. Jahr das Motto gilt: „Da wir in Leitmeritz sind, sprechen wir natürlich Deutsch – und zwar so, wie es jeder vermag“ und um bei dieser Gelegenheit gemeinsam Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Leider war ich auf diesen Umstand nicht ganz vorbereitet und die Leiterin des Clubs, Hana Pavlištová, hätte mich fast nicht reingelassen. 😊 Aber zum Glück sah ich ein bekanntes Gesicht – die Mitorganisatorin des Abends und hartnäckige Organisatorin der Alternativkultur in Litoměřice Renata Vášová –sie sorgte nicht nur dafür, dass ich eingelassen wurde, sondern stellte mich auch gleich ihrer Kollegin Hanka Galiová vor. Hanka Galiová hat die Leitung ihres gemeinnützigen Vereins Kinoklub Ostrov übernommen, der nicht nur das Sommerkino von Litoměřice und den Filmclub betreibt, sondern auch jedes Jahr Ende August das renommierte Filmfestival organisiert. Und Hanka und ich begannen sofort, Pläne für grenzüberschreitende Aktivitäten zu schmieden, und zu uns gesellte sich eine sehr wichtige Person, sozusagen eine Kultfigur, nämlich Lenka Holíková vom Kulturzentrum Řehlovice. Ich traf beide im November bei einer Besichtigung des Sommerkinos auf der hiesigen Střelecký-Insel und der Gotischen Zwillingsgalerie im ältesten Haus in Litoměřice wieder. Es war sofort klar, dass die „Club“-Szene dort den deutschen Partnern, die ihnen zweifelsohne am Herzen liegen, viel zu bieten hat und dass das Networking Spaß machen würde.
Eine ähnliche Veranstaltung wie der Deutschklub, bei der die erwähnte „Überraschung“ eine großartige Verkostung sächsischer Weine aus den Weinbergen der Elbe-Region war (unter der hervorragenden fachlichen Anleitung der „Weinkönigin“, Frau Juliana Kremtz), stellte die deutsch-tschechische DŽEM-Session in Pirna dar. Es ist ein bereits traditioneller Wettbewerb um die beste Marmelade, Konfitüre oder das beste Fruchtpüree im Rhythmus des Jazz, der diesmal von einer Band aus Děčín (Tetschen) dageboten wurde. Abgesehen davon, dass ich wieder überrascht war, wie viele Leute sich mit ihren Kostproben an dem Wettbewerb beteiligten, war ich schon besser vorbereitet als beim letzten Mal. Ich hatte auch genügend Bargeld dabei, um auch eine der besten Marmeladen, natürlich Birne, zu versteigern, denn darin sind sie die Besten in Pirna und konnte damit einen Beitrag zur Initiative Pirna 800 leisten.
Die Initiative hat die Veranstaltung mitorganisiert und sich zum Ziel gesetzt, bis zur 800-Jahr-Feier der Stadt Pirna (wahrscheinlich bis 2033) 800 neue Bäume zu pflanzen. Abgesehen davon, dass ich mich über diese Initiative und die Möglichkeit, einen Beitrag dazu zu leisten, sehr gefreut habe, hat mich auch die Tatsache amüsiert, dass die Stadt Pirna eine Birne oder einen Birnbaum in ihrem Wappen führt, was sicher irgendwie mit der phonetischen Ähnlichkeit der beiden Wörter Pirna – Birne zusammenhängt. Aber ich musste wirklich lachen, als Helge Goldhahn, der Vater der Initiative Pirna 800, mir auf Tschechisch erzählte, dass er einen Teil seines Lebens in Brünn gelebt habe und man ihn nie richtig verstand, wenn er zu erklären versuchte, dass er nicht „aus Brünn“, sondern „aus Pirna“ sei… Und ich weiß jetzt nicht genau, wie das zusammenhängt, aber ich musste an Karel Gott und seinen gleichnamigen Schlager denken, als ich mich dem Restaurant Babička in Pirna näherte –seine Lieder und das gemeinsame deutsch-tschechische Musizieren standen tatsächlich an diesem Abend auf dem Programm. Natürlich werden bei der allgemeinen Heiterkeit auch Kontakte geknüpft, und wir konnten mit der Bildungsleiterin der Stadtbibliothek Děčín, Frau Mirka Nedvědová, die auch die diesjährige DŽEM-Sitzung mitorganisiert hat, ernsthafte Pläne entwickeln, wie wir beim Organisieren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei deutsch-tschechischen Literaturabenden, Kunstworkshops und Ausstellungen, beim deutsch-tschechischem Theater, Vorträgen über die deutsche Geschichte der nordböhmischen Region, Erfahrungsaustauschen über die Nutzung ehemaliger Industriegebäude und das Funktionieren von Bürgerinitiativen usw. mithelfen könnten. Bibliotheken sind neue Kultur- und Gemeinschaftszentren, und es wäre schade, wenn ihr gegenwärtiger Aufschwung keine Unterstützung finden würde. Es ist zu hoffen, dass zumindest einige der Pläne bis zum Ende des aktuellen Jahrgangs von Ein Jahr an der Grenze verwirklicht werden können.
Das Engagement in „ein Jahr an der Grenze“ bringt oft unerwartete Herausforderungen mit sich. Neben technischen (z. B. den richtigen Eingang, die richtige Hausnummer oder den Zugang zum Online-Raum zu finden) und zeitlichen Hindernissen (sich kurz vor den Wahlen, vor Weihnachten, nach Weihnachten oder in den Frühjahrsferien zu treffen), gibt es manchmal auch „logistische“ Grenzen. Es überrascht nicht, dass (nachhaltiger) Verkehr und Mobilität auch ein Thema des trinationalen Bürgerdialogs in Dresden im vergangenen Jahr waren.
Denn wenn etwas problemlos funktioniert, neigen wir dazu, es als selbstverständlich hinzunehmen (z.B. eine Verbindung ohne Umstieg, die nicht eine Woche dauert, oder der Transport von Fahrrädern und Kinderwagen, ohne zu befürchten, dass die Verbindung nicht barrierefrei ist). Wir bemerken nur, was für ein Hindernis oder eine Einschränkung es darstellt, wenn der Dienst nicht mehr funktioniert.
Aber nicht überall ist die Situation kritisch, wie wir festgestellt haben. Und so können Sie das ganze Jahr über problemlos zu Freunden oder auf Reisen gehen, zum Beispiel auf den Strecken:
Dort lohnt es sich auch, ausgetretene Pfade zu verlassen und die Schönheit der Landschaft, historische Denkmäler oder die kulinarische Vielfalt der Region zu entdecken.
Dann gibt es aber Orte, wo man bequeme Verbindungen länger suchen würde (Max, Veronika und Veronika haben es für Sie versucht), also aus dem Leben von Jahr an der Grenze:
Die obigen Ausführungen machen deutlich (und oft weiß die Kartensuchmaschine dies), dass es manchmal am effizientesten ist, einfach zu Fuß zu gehen.
Aber auch für diese scheinbar ausweglose Situation gibt es eine Lösung. Wir haben uns mindestens drei einfallen lassen:
Entweder man fährt mit dem Fahrrad oder den Langlaufskiern statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln 😊.
Ihr trefft euch außerhalb eurer Standorte (einfach „in der Mitte“, wo ihr alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt; das erfordert allerdings extrem gute kombinatorische Fähigkeiten! 😊)
Oder man schaut, ob es „zufällig“ eine Verkehrs-App im Nachbarland gibt, die eine Kombination mit lokalen Buslinien anbietet (z.B. Regionalverkehr Erzgebirge GmbH für tschechische Reisende im mittleren und westlichen Erzgebirge oder DÚKapka für deutsche Reisende in der Region Ústí nad Labem).
Meistens gibt es ähnliche Apps und der Fahrgast kann z.B. Regional-/Stadtbuslinien in der App finden. Als Nutzer müssen wir uns jedoch damit rechnen, dass nicht eine App, sondern eine Kombination aus mehreren Apps notwendig ist.
Mit diesem Trick (natürlich am besten noch im Warmen zu Hause auf dem eigenen Handy herausgefunden) dauert die Fahrt von Chomutov nach Zwönitz dann nicht mehr 4 Stunden, sondern nur noch 3 Stunden 😊.
Wir wünschen dem öffentlichen Verkehr in der Region viele glückliche Fahrgäste und den Gemeinden weniger überfüllte Parkplätze!
Wenn es eine Sache gibt, die ich als deutsch-tschechischer Enthusiast spätestens mit dem Jahr an der Grenze gelernt habe, dann, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus dem ländlichen Grenzgebiet für große interkulturelle Aktivitäten und Projekte in der Regel schwer zu begeistern sind. Ganz anders verhält es sich, vor allem in der Weihnachtszeit, mit einem einfachen, gemütlichen Beisammensein am Nachmittag, wo es zudem noch gutes Essen und Geschenke gibt. So luden Herr Bach, der Leiter des Jugendzentrums Großschönau, und die Kinder seines Jugendtreffs zu ihrer ohnehin für sich selbst geplanten Weihnachtsfeier am 20.12. kurzerhand ein paar neue Freunde aus dem nur vier Kilometer entfernten Varnsdorf vom Jugendhaus dům dětí a mládeže ein.
Da der Jugendtreff in Großschönau aktuell noch in einer kleinen Laden- und Bürofläche sitzt, konnten nicht mehr als fünf Jugendliche sowie ein Betreuer aus Varnsdorf zum Weihnachtstreffen kommen. Die Jugendlichen, die letzten Endes kamen, wurden dafür aber umso herzlicher empfangen. Letztlich wurden für sie sogar zusätzliche Geschenke besorgt und auch die Brötchenteller sowie der leckere warme Gemüsenudeltopf, den Herr Bach für die Teilnehmenden vorbereitet hatte, waren etwas praller gefüllt worden. Nachdem also die tschechischen Jugendlichen angekommen waren und Herr Bach ein paar Willkommensworte an sie gerichtet hatte, wurde zunächst gemeinsam gegessen und nach ein paar Schach- oder auch Fußballduellen an der Konsole wurden Lose verteilt und jeder bekam ein kleines Geschenk des Jugendtreffs zugelost. Trotz des wenigen Platzes haben sich alle sehr wohl gefühlt und es war ein angenehm niedrigschwelliges Treffen. Für eventuelle weitere Begegnungen in den nächsten Jahren ist bezüglich des Platzes aber Besserung in Sicht, da der Jugendtreff in die ehemalige Bahnhofsgaststätte im Großschönauer Bahnhofsgebäude einziehen wird.
Doch wie kam es eigentlich zu dieser schönen Weihnachtsbegegnung? Der Kontakt zu den Großschönauern kam über ein einfaches Telefonat zustande, der Jugendtreffleiter war sofort offen für gemeinsame Aktivitäten mit – wie er so schön selbst von Anfang an sagte – neuen tschechischen Freunden und bot auch gleich selbst an, gerne die eigenen Räumlichkeiten oder auch den Garten für Camps im Sommer oder als Startpunkt für Ausflüge in die Region zur Verfügung zu stellen. Solche Leute sind im Jahr an der Grenze Gold wert, da man so immer gleich mit einem konkreten Angebot auf potenzielle Partner auf der anderen Seite der Grenze zugehen kann.
Partner von der anderen Seite der Grenze sollten entsprechend der Vorstellungen der Großschönauer auch nicht zu weit entfernt sein, sodass man sich auch schnell mal am Nachmittag oder Abend unter der Woche besuchen kann. Somit ging der Blick schon gleich ins benachbarte Varnsdorf, praktisch einen Steinwurf von Großschönau entfernt. Herr Bach hat eine Vorliebe für das Schachspielen und konnte sich erinnern, dass es in Varnsdorf auch einmal eine Jugend-Schach-Abteilung im Sportverein gab, zu denen er vor Jahren auch Kontakt hatte und der mit der Zeit aber verloren ging. So machte ich mich auf die Suche und fand nach kurzer Zeit die „eierlegende Wollmilchsau“: Herrn Halba, der in Varnsdorf sowohl im Jugendhaus arbeitet als auch die Schachabteilung des Sportvereins Slovan Varnsdorf leitet. Letzten Endes stellte sich heraus, dass auch er Herrn Bach noch von vor langer Zeit aus dem regionalen Schachspielbetrieb kannte, aber der Kontakt einfach über ein paar Jahre nicht vorhanden war. Auch er war gleich Feuer und Flamme, sodass er kurzerhand der Einladung des deutschen Jugendtreffs folgte und eine Gruppe schachbegeisterter Jugendlicher mitbrachte, die sowohl im Sportverein als auch im Jugendhaus aktiv sind. So konnte bei der ersten Begegnung der Jugendlichen auch gleich etwas Schach gespielt werden, was sehr gut dabei half, das Eis zu brechen.
Für solche dankbaren Momente setzt man sich gerne wieder für viele Stunden in Regionalzüge und Dorfbusse zur Vernetzung von Menschen im Grenzgebiet.
Herr Halba und Herr Bach konnten bei dem Treffen auch gleich ein paar gemeinsame Termine und Pläne austauschen. Zum Beispiel bot Herr Bach an, dass immer auch ein paar tschechische Jugendliche (oder auch Ältere) jeden Montag zum Training des örtlichen Schachklubs kommen könnten, in dem er selbst auch aktiv ist. Demnächst könnte es also dazu kommen, dass sich die deutsche und die tschechische Seite öfter zum gemeinsamen Schachspiel treffen und sich so längerfristige Freundschaften über den Sport entwickeln. Aber auch unabhängig vom Schachspiel werden beide Jugendeinrichtungen im Laufe des Jahres die eine oder andere gemeinsame Aktion durchführen. Insgesamt muss ich sagen, dass ich über diese Partnerschaft sehr glücklich bin, da es so ziemlich genau das ist, was im Jahr an der Grenze entstehen soll – Partnerschaften und Bekanntschaften, die sich wirklich in einem Umkreis von wenigen Kilometern abspielen, sodass man sich auch mal spontan kurz am Nachmittag oder Abend besuchen kann und auf kurzem Wege abspricht. Außerdem sind die Ansprechpartner beider Einrichtungen gut in ihren Orten und Gemeinden vernetzt. Wer weiß, vielleicht können in den nächsten Monaten im Jahr an der Grenze also noch weitere solcher schönen und vielfältigen Begegnungsmöglichkeiten zwischen Großschönau und Varnsdorf entstehen.
Wenn man noch neu in der Welt der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit in den unmittelbaren Grenzregionen ist und selbst viel Enthusiasmus für dieses Thema hat, überschätzt man doch manchmal das Interesse der anderen Menschen aus der Region an gemeinsamen Aktionen mit dem Nachbarland. Zumindest ging es mir über den Sommer oft so. Viele bereits grenzüberschreitend aktive Menschen aus meiner Region hatten mir in gemeinsamen Gesprächen gesagt, dass es häufig bei „älteren“ Freunden und Bekannten noch zu viele Barrieren im Kopf gibt, die grenzüberschreitende Begegnungen und Erlebnisse erheblich behindern. Aus ihrer Sicht ist es deshalb umso wichtiger, Schulen und Kindergärten für deutsch-tschechische Austauschaktivitäten zu gewinnen, um Kindern und Jugendlichen ein grundlegendes anderes, ein positives und offenes Mindset in Bezug auf das Nachbarland mitzugeben und sie schon frühzeitig gemeinsame Kontakte knüpfen zu lassen.
Doch wie genau stellt man so etwas an? Davon konnte ich mir diesen Sommer beim Auftakt eines einjährigen Schulbegegnungsprojekts zwischen der Sorbischen Grundschule in Bautzen und der Základní škola Polevsko ein Bild machen. Gregor von der Bautzener Grundschule hatte ich über meinen Programmkollegen Jan kennengelernt, und bei unserem ersten Gespräch über Potenziale im Grenzgebiet hat er mir gleich angeboten, zu den Schulbegegnungen mitzukommen. Ursprünglich wollte ich mir dabei nur den Ablauf der Begegnung und die Interaktion der deutschen und tschechischen Kinder ansehen – da man aber als „Macher und Enthusiast“ nicht nur in der Ecke stehen kann, fand ich mich dann im schönen Örtchen Polevsko mit einer eigenen Kleingruppe von Schüler*innen wieder, die ich selbstständig mit Sprachanimation betreuen und dann auch durch die spielerische Dorfrallye führen durfte. Das war eine schweißtreibende, aber sehr schöne Erfahrung, und der hervorragende Mix aus dem Aktivsein im Freien und sprachlichen Lerninhalten in spielerischer Form hat nicht nur den Schulkindern, sondern auch den mitgereisten Lehrer*innen und Eltern sehr gut gefallen. Das Organisationsteam beider Grundschulen hat diesen Tag super geplant und durchgeführt; zwei persönliche Anekdoten haben mir aber verdeutlicht, dass man bei grenzüberschreitenden Begegnungen von Kindern und Jugendlichen gar nicht so viel Angst vor dem Aufwand an Organisation und Sprachmittlung haben muss. Und dass „weniger“ vielleicht auch oft „mehr“ sein kann.
Anekdote 1:Zwei Stunden Sprachanimation ohne Pause durchzuziehen schaffen wohl nur Profis. Und da ich das nicht bin, habe ich zwei kurze Pausen eingelegt. Während meiner Animationsübungen waren die Kinder Ihren deutschen/tschechischen Altersgenossen gegenüber etwas zurückhaltend und es war herausfordernd, sie zu gemeinsamer Interaktion und Kooperation zu bringen. Mit Beginn der kurzen Pausen war diese Scheu wie weggeblasen. Beide „Lager“ hatten verschiedene Spiele- und Bildkarten mit und saßen in deutsch-tschechisch gemischten Kreisen zusammen, tauschten ihre Karten aus und kommunizierten eher über Hand und Fuß, ohne miteinander reden zu müssen. Ein schönes Beispiel dafür, dass oft auch ganz einfache, niedrigschwellige Ansätze zu einer gelungenen grenzüberschreitenden Interaktion führen können.
Anekdote 2: In meiner Kleingruppe unterstützten mich eine tschechische Lehrerin sowie ein deutscher mitgereister Vater. Für die Dorfrallye im Anschluss an die Sprachanimation musste die Gruppe allerdings aufgeteilt werden, sodass am Ende ich mit einer Hälfte und die anderen beiden mit der zweiten Hälfte unserer deutsch-tschechischen Kleingruppe unterwegs waren, um beide Sprachen abdecken zu können. Da bei der Lehrerin und dem Vater aber eine gemeinsame Mittlersprache fehlte, wusste bei den beiden keiner so richtig, wie das überhaupt funktionieren soll. Dass ihre Gruppe dann eine der besten von insgesamt 12 Gruppen war und bei den einzelnen Aufgabenstationen fast doppelt so viele Punkte wie meine Gruppe sammeln konnte, zeigt, dass Sprache nicht alles ist. Zurück auf dem Schulhof freut sich die Gruppe über das gute Ergebnis, die tschechische Lehrerin, der deutsche Vater und die deutsch-tschechische Schülergruppe klatschen sich ab. Von ihnen hätte wahrscheinlich noch am Morgen keiner gedacht, dass sie Teil einer so gelungenen deutsch-tschechischen Teamarbeit werden können. Das macht doch Lust auf mehr?
Ende September steht das nächste Treffen der Grundschulen an, diesmal in Bautzen. Und wer weiß, vielleicht entstehen ja schon dort nach dem ersten, vielleicht auch etwas nervösen gemeinsamen Kennenlernen in diesem Sommer schon ein paar richtig feste Freundschaften. Ich war begeistert davon, zu sehen, wie eine solche Begegnung umgesetzt wird und schöne, gemeinsame Erlebnisse und Verständigung auch dann funktionieren kann, wenn kein/e Dolmetscher/in bei einer Gruppe ist. In der Zwischenzeit freue ich mich auf die nächsten Begegnungstreffen im September, Dezember und um Ostern und arbeite bis dahin daran, dass noch mehr Kindergärten und Schulen Lust auf ein solches Begegnungsprojekt bekommen.
Eigentlich hört man oft, dass es wichtig für Gesundheit und Geist ist, Berufliches und Privates zu trennen. Als Macher und Enthusiast für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist das kaum möglich, Macher und Enthusiast kann man nur sein, wenn man unabhängig von Wochentag und Uhrzeit für die Sache brennt, erreichbar für Gespräche ist, Ideen sammelt, aufschreibt und kommuniziert. Das ist manchmal herausfordernd, aber in vielen Momenten genieße ich das total, und einen solchen Moment gab es erst letzten Freitag wieder.
Nach einer guten Woche mit tollen Gesprächen und vielen neuen Ideen für den deutsch-tschechischen Austausch in der Region Oberlausitz/Liberecko möchte ich ins Steinhaus gehen, das Soziokulturelle Zentrum in Bautzen. Dort findet an diesem lauen Sommerabend das BEAT-Festival statt, vier Bands spielen, in einer davon meine Schwester. Mit ihr unterhalte ich mich vor dem Konzert über die Städtepartnerschaft Bautzen-Jablonec nad Nisou. Als ich über meine Vorstellungen rede, merkt sie, dass Torsten Wiegel, Geschäftsführer des Steinhaus e.V, neben uns sitzt. Sie bezieht ihn mit ein und schon kommen wir sehr konkret ins Reden über bisherige Kooperationen im Kulturbereich, die derzeitige Funkstille der Städtepartnerschaft, das große Potenzial zur Neuentfaltung. Wir unterhalten uns über Kontakte und Ideen, Torsten freut sich auf neue Möglichkeiten zur Vernetzung, und ich ziehe gedanklich (und schon bald physisch) los in die Stadt Jablonec, um nach interessierten Menschen und Einrichtungen zu suchen. Veronika, meine Kollegin im Programm, hat mir vom neuen Kulturzentrum „Nazdar“ erzählt – vielleicht wäre das ja was?…
Möglichkeiten, Gespräche und Ideen ergeben sich eben dann, wenn sie es wollen, man kann das nicht planen. Und sie kommen auch, wenn man wie ich schon vor der Bühne steht und den Bands lauscht. Es ist ein toller Abend. Und wer weiß, vielleicht stehe ich schon bald bei einem deutsch-tschechischen Konzert, Theaterworkshop oder Ähnlichem wieder in den Räumen des Steinhauses. Man kann gespannt sein, was das Jahr an der Grenze der Städtepartnerschaft Bautzen-Jablonec noch so bringt – ich freue mich darauf und gehe es an.