Das Engagement in „ein Jahr an der Grenze“ bringt oft unerwartete Herausforderungen mit sich. Neben technischen (z. B. den richtigen Eingang, die richtige Hausnummer oder den Zugang zum Online-Raum zu finden) und zeitlichen Hindernissen (sich kurz vor den Wahlen, vor Weihnachten, nach Weihnachten oder in den Frühjahrsferien zu treffen), gibt es manchmal auch „logistische“ Grenzen. Es überrascht nicht, dass (nachhaltiger) Verkehr und Mobilität auch ein Thema des trinationalen Bürgerdialogs in Dresden im vergangenen Jahr waren.
Denn wenn etwas problemlos funktioniert, neigen wir dazu, es als selbstverständlich hinzunehmen (z.B. eine Verbindung ohne Umstieg, die nicht eine Woche dauert, oder der Transport von Fahrrädern und Kinderwagen, ohne zu befürchten, dass die Verbindung nicht barrierefrei ist). Wir bemerken nur, was für ein Hindernis oder eine Einschränkung es darstellt, wenn der Dienst nicht mehr funktioniert.
Aber nicht überall ist die Situation kritisch, wie wir festgestellt haben. Und so können Sie das ganze Jahr über problemlos zu Freunden oder auf Reisen gehen, zum Beispiel auf den Strecken:
Dort lohnt es sich auch, ausgetretene Pfade zu verlassen und die Schönheit der Landschaft, historische Denkmäler oder die kulinarische Vielfalt der Region zu entdecken.
Dann gibt es aber Orte, wo man bequeme Verbindungen länger suchen würde (Max, Veronika und Veronika haben es für Sie versucht), also aus dem Leben von Jahr an der Grenze:
Gebiet Schluckenau und Lausitz (Max)Westliches Erzgebirge (Veronika K.)Chodsko & Oberpfalz (Veronika W.)
Die obigen Ausführungen machen deutlich (und oft weiß die Kartensuchmaschine dies), dass es manchmal am effizientesten ist, einfach zu Fuß zu gehen.
„Keine Route gefunden“.
Aber auch für diese scheinbar ausweglose Situation gibt es eine Lösung. Wir haben uns mindestens drei einfallen lassen:
Entweder man fährt mit dem Fahrrad oder den Langlaufskiern statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln 😊.
Ihr trefft euch außerhalb eurer Standorte (einfach „in der Mitte“, wo ihr alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt; das erfordert allerdings extrem gute kombinatorische Fähigkeiten! 😊)
Oder man schaut, ob es „zufällig“ eine Verkehrs-App im Nachbarland gibt, die eine Kombination mit lokalen Buslinien anbietet (z.B. Regionalverkehr Erzgebirge GmbH für tschechische Reisende im mittleren und westlichen Erzgebirge oder DÚKapka für deutsche Reisende in der Region Ústí nad Labem).
Meistens gibt es ähnliche Apps und der Fahrgast kann z.B. Regional-/Stadtbuslinien in der App finden. Als Nutzer müssen wir uns jedoch damit rechnen, dass nicht eine App, sondern eine Kombination aus mehreren Apps notwendig ist.
Mit diesem Trick (natürlich am besten noch im Warmen zu Hause auf dem eigenen Handy herausgefunden) dauert die Fahrt von Chomutov nach Zwönitz dann nicht mehr 4 Stunden, sondern nur noch 3 Stunden 😊.
Wir wünschen dem öffentlichen Verkehr in der Region viele glückliche Fahrgäste und den Gemeinden weniger überfüllte Parkplätze!
Man braucht nicht viel Platz, um deutsche und tschechische Jugendliche zusammenzubringen.
Wenn es eine Sache gibt, die ich als deutsch-tschechischer Enthusiast spätestens mit dem Jahr an der Grenze gelernt habe, dann, dass vor allem Kinder und Jugendliche aus dem ländlichen Grenzgebiet für große interkulturelle Aktivitäten und Projekte in der Regel schwer zu begeistern sind. Ganz anders verhält es sich, vor allem in der Weihnachtszeit, mit einem einfachen, gemütlichen Beisammensein am Nachmittag, wo es zudem noch gutes Essen und Geschenke gibt. So luden Herr Bach, der Leiter des Jugendzentrums Großschönau, und die Kinder seines Jugendtreffs zu ihrer ohnehin für sich selbst geplanten Weihnachtsfeier am 20.12. kurzerhand ein paar neue Freunde aus dem nur vier Kilometer entfernten Varnsdorf vom Jugendhaus dům dětí a mládeže ein.
Großschönau hatte gut für die kulinarische Verpflegung gesorgt und sogar selbst warm gekocht (im Bildhintergrund der Nudeltopf ist schwer zu erkennen).
Da der Jugendtreff in Großschönau aktuell noch in einer kleinen Laden- und Bürofläche sitzt, konnten nicht mehr als fünf Jugendliche sowie ein Betreuer aus Varnsdorf zum Weihnachtstreffen kommen. Die Jugendlichen, die letzten Endes kamen, wurden dafür aber umso herzlicher empfangen. Letztlich wurden für sie sogar zusätzliche Geschenke besorgt und auch die Brötchenteller sowie der leckere warme Gemüsenudeltopf, den Herr Bach für die Teilnehmenden vorbereitet hatte, waren etwas praller gefüllt worden. Nachdem also die tschechischen Jugendlichen angekommen waren und Herr Bach ein paar Willkommensworte an sie gerichtet hatte, wurde zunächst gemeinsam gegessen und nach ein paar Schach- oder auch Fußballduellen an der Konsole wurden Lose verteilt und jeder bekam ein kleines Geschenk des Jugendtreffs zugelost. Trotz des wenigen Platzes haben sich alle sehr wohl gefühlt und es war ein angenehm niedrigschwelliges Treffen. Für eventuelle weitere Begegnungen in den nächsten Jahren ist bezüglich des Platzes aber Besserung in Sicht, da der Jugendtreff in die ehemalige Bahnhofsgaststätte im Großschönauer Bahnhofsgebäude einziehen wird.
Doch wie kam es eigentlich zu dieser schönen Weihnachtsbegegnung? Der Kontakt zu den Großschönauern kam über ein einfaches Telefonat zustande, der Jugendtreffleiter war sofort offen für gemeinsame Aktivitäten mit – wie er so schön selbst von Anfang an sagte – neuen tschechischen Freunden und bot auch gleich selbst an, gerne die eigenen Räumlichkeiten oder auch den Garten für Camps im Sommer oder als Startpunkt für Ausflüge in die Region zur Verfügung zu stellen. Solche Leute sind im Jahr an der Grenze Gold wert, da man so immer gleich mit einem konkreten Angebot auf potenzielle Partner auf der anderen Seite der Grenze zugehen kann.
Partner von der anderen Seite der Grenze sollten entsprechend der Vorstellungen der Großschönauer auch nicht zu weit entfernt sein, sodass man sich auch schnell mal am Nachmittag oder Abend unter der Woche besuchen kann. Somit ging der Blick schon gleich ins benachbarte Varnsdorf, praktisch einen Steinwurf von Großschönau entfernt. Herr Bach hat eine Vorliebe für das Schachspielen und konnte sich erinnern, dass es in Varnsdorf auch einmal eine Jugend-Schach-Abteilung im Sportverein gab, zu denen er vor Jahren auch Kontakt hatte und der mit der Zeit aber verloren ging. So machte ich mich auf die Suche und fand nach kurzer Zeit die „eierlegende Wollmilchsau“: Herrn Halba, der in Varnsdorf sowohl im Jugendhaus arbeitet als auch die Schachabteilung des Sportvereins Slovan Varnsdorf leitet. Letzten Endes stellte sich heraus, dass auch er Herrn Bach noch von vor langer Zeit aus dem regionalen Schachspielbetrieb kannte, aber der Kontakt einfach über ein paar Jahre nicht vorhanden war. Auch er war gleich Feuer und Flamme, sodass er kurzerhand der Einladung des deutschen Jugendtreffs folgte und eine Gruppe schachbegeisterter Jugendlicher mitbrachte, die sowohl im Sportverein als auch im Jugendhaus aktiv sind. So konnte bei der ersten Begegnung der Jugendlichen auch gleich etwas Schach gespielt werden, was sehr gut dabei half, das Eis zu brechen.
Für solche dankbaren Momente setzt man sich gerne wieder für viele Stunden in Regionalzüge und Dorfbusse zur Vernetzung von Menschen im Grenzgebiet.
Herr Halba und Herr Bach konnten bei dem Treffen auch gleich ein paar gemeinsame Termine und Pläne austauschen. Zum Beispiel bot Herr Bach an, dass immer auch ein paar tschechische Jugendliche (oder auch Ältere) jeden Montag zum Training des örtlichen Schachklubs kommen könnten, in dem er selbst auch aktiv ist. Demnächst könnte es also dazu kommen, dass sich die deutsche und die tschechische Seite öfter zum gemeinsamen Schachspiel treffen und sich so längerfristige Freundschaften über den Sport entwickeln. Aber auch unabhängig vom Schachspiel werden beide Jugendeinrichtungen im Laufe des Jahres die eine oder andere gemeinsame Aktion durchführen. Insgesamt muss ich sagen, dass ich über diese Partnerschaft sehr glücklich bin, da es so ziemlich genau das ist, was im Jahr an der Grenze entstehen soll – Partnerschaften und Bekanntschaften, die sich wirklich in einem Umkreis von wenigen Kilometern abspielen, sodass man sich auch mal spontan kurz am Nachmittag oder Abend besuchen kann und auf kurzem Wege abspricht. Außerdem sind die Ansprechpartner beider Einrichtungen gut in ihren Orten und Gemeinden vernetzt. Wer weiß, vielleicht können in den nächsten Monaten im Jahr an der Grenze also noch weitere solcher schönen und vielfältigen Begegnungsmöglichkeiten zwischen Großschönau und Varnsdorf entstehen.
Wenn man noch neu in der Welt der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit in den unmittelbaren Grenzregionen ist und selbst viel Enthusiasmus für dieses Thema hat, überschätzt man doch manchmal das Interesse der anderen Menschen aus der Region an gemeinsamen Aktionen mit dem Nachbarland. Zumindest ging es mir über den Sommer oft so. Viele bereits grenzüberschreitend aktive Menschen aus meiner Region hatten mir in gemeinsamen Gesprächen gesagt, dass es häufig bei „älteren“ Freunden und Bekannten noch zu viele Barrieren im Kopf gibt, die grenzüberschreitende Begegnungen und Erlebnisse erheblich behindern. Aus ihrer Sicht ist es deshalb umso wichtiger, Schulen und Kindergärten für deutsch-tschechische Austauschaktivitäten zu gewinnen, um Kindern und Jugendlichen ein grundlegendes anderes, ein positives und offenes Mindset in Bezug auf das Nachbarland mitzugeben und sie schon frühzeitig gemeinsame Kontakte knüpfen zu lassen.
Doch wie genau stellt man so etwas an? Davon konnte ich mir diesen Sommer beim Auftakt eines einjährigen Schulbegegnungsprojekts zwischen der Sorbischen Grundschule in Bautzen und der Základní škola Polevsko ein Bild machen. Gregor von der Bautzener Grundschule hatte ich über meinen Programmkollegen Jan kennengelernt, und bei unserem ersten Gespräch über Potenziale im Grenzgebiet hat er mir gleich angeboten, zu den Schulbegegnungen mitzukommen. Ursprünglich wollte ich mir dabei nur den Ablauf der Begegnung und die Interaktion der deutschen und tschechischen Kinder ansehen – da man aber als „Macher und Enthusiast“ nicht nur in der Ecke stehen kann, fand ich mich dann im schönen Örtchen Polevsko mit einer eigenen Kleingruppe von Schüler*innen wieder, die ich selbstständig mit Sprachanimation betreuen und dann auch durch die spielerische Dorfrallye führen durfte. Das war eine schweißtreibende, aber sehr schöne Erfahrung, und der hervorragende Mix aus dem Aktivsein im Freien und sprachlichen Lerninhalten in spielerischer Form hat nicht nur den Schulkindern, sondern auch den mitgereisten Lehrer*innen und Eltern sehr gut gefallen. Das Organisationsteam beider Grundschulen hat diesen Tag super geplant und durchgeführt; zwei persönliche Anekdoten haben mir aber verdeutlicht, dass man bei grenzüberschreitenden Begegnungen von Kindern und Jugendlichen gar nicht so viel Angst vor dem Aufwand an Organisation und Sprachmittlung haben muss. Und dass „weniger“ vielleicht auch oft „mehr“ sein kann.
Anekdote 1:Zwei Stunden Sprachanimation ohne Pause durchzuziehen schaffen wohl nur Profis. Und da ich das nicht bin, habe ich zwei kurze Pausen eingelegt. Während meiner Animationsübungen waren die Kinder Ihren deutschen/tschechischen Altersgenossen gegenüber etwas zurückhaltend und es war herausfordernd, sie zu gemeinsamer Interaktion und Kooperation zu bringen. Mit Beginn der kurzen Pausen war diese Scheu wie weggeblasen. Beide „Lager“ hatten verschiedene Spiele- und Bildkarten mit und saßen in deutsch-tschechisch gemischten Kreisen zusammen, tauschten ihre Karten aus und kommunizierten eher über Hand und Fuß, ohne miteinander reden zu müssen. Ein schönes Beispiel dafür, dass oft auch ganz einfache, niedrigschwellige Ansätze zu einer gelungenen grenzüberschreitenden Interaktion führen können.
Anekdote 2: In meiner Kleingruppe unterstützten mich eine tschechische Lehrerin sowie ein deutscher mitgereister Vater. Für die Dorfrallye im Anschluss an die Sprachanimation musste die Gruppe allerdings aufgeteilt werden, sodass am Ende ich mit einer Hälfte und die anderen beiden mit der zweiten Hälfte unserer deutsch-tschechischen Kleingruppe unterwegs waren, um beide Sprachen abdecken zu können. Da bei der Lehrerin und dem Vater aber eine gemeinsame Mittlersprache fehlte, wusste bei den beiden keiner so richtig, wie das überhaupt funktionieren soll. Dass ihre Gruppe dann eine der besten von insgesamt 12 Gruppen war und bei den einzelnen Aufgabenstationen fast doppelt so viele Punkte wie meine Gruppe sammeln konnte, zeigt, dass Sprache nicht alles ist. Zurück auf dem Schulhof freut sich die Gruppe über das gute Ergebnis, die tschechische Lehrerin, der deutsche Vater und die deutsch-tschechische Schülergruppe klatschen sich ab. Von ihnen hätte wahrscheinlich noch am Morgen keiner gedacht, dass sie Teil einer so gelungenen deutsch-tschechischen Teamarbeit werden können. Das macht doch Lust auf mehr?
Ende September steht das nächste Treffen der Grundschulen an, diesmal in Bautzen. Und wer weiß, vielleicht entstehen ja schon dort nach dem ersten, vielleicht auch etwas nervösen gemeinsamen Kennenlernen in diesem Sommer schon ein paar richtig feste Freundschaften. Ich war begeistert davon, zu sehen, wie eine solche Begegnung umgesetzt wird und schöne, gemeinsame Erlebnisse und Verständigung auch dann funktionieren kann, wenn kein/e Dolmetscher/in bei einer Gruppe ist. In der Zwischenzeit freue ich mich auf die nächsten Begegnungstreffen im September, Dezember und um Ostern und arbeite bis dahin daran, dass noch mehr Kindergärten und Schulen Lust auf ein solches Begegnungsprojekt bekommen.
Eigentlich hört man oft, dass es wichtig für Gesundheit und Geist ist, Berufliches und Privates zu trennen. Als Macher und Enthusiast für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist das kaum möglich, Macher und Enthusiast kann man nur sein, wenn man unabhängig von Wochentag und Uhrzeit für die Sache brennt, erreichbar für Gespräche ist, Ideen sammelt, aufschreibt und kommuniziert. Das ist manchmal herausfordernd, aber in vielen Momenten genieße ich das total, und einen solchen Moment gab es erst letzten Freitag wieder.
Nach einer guten Woche mit tollen Gesprächen und vielen neuen Ideen für den deutsch-tschechischen Austausch in der Region Oberlausitz/Liberecko möchte ich ins Steinhaus gehen, das Soziokulturelle Zentrum in Bautzen. Dort findet an diesem lauen Sommerabend das BEAT-Festival statt, vier Bands spielen, in einer davon meine Schwester. Mit ihr unterhalte ich mich vor dem Konzert über die Städtepartnerschaft Bautzen-Jablonec nad Nisou. Als ich über meine Vorstellungen rede, merkt sie, dass Torsten Wiegel, Geschäftsführer des Steinhaus e.V, neben uns sitzt. Sie bezieht ihn mit ein und schon kommen wir sehr konkret ins Reden über bisherige Kooperationen im Kulturbereich, die derzeitige Funkstille der Städtepartnerschaft, das große Potenzial zur Neuentfaltung. Wir unterhalten uns über Kontakte und Ideen, Torsten freut sich auf neue Möglichkeiten zur Vernetzung, und ich ziehe gedanklich (und schon bald physisch) los in die Stadt Jablonec, um nach interessierten Menschen und Einrichtungen zu suchen. Veronika, meine Kollegin im Programm, hat mir vom neuen Kulturzentrum „Nazdar“ erzählt – vielleicht wäre das ja was?…
Möglichkeiten, Gespräche und Ideen ergeben sich eben dann, wenn sie es wollen, man kann das nicht planen. Und sie kommen auch, wenn man wie ich schon vor der Bühne steht und den Bands lauscht. Es ist ein toller Abend. Und wer weiß, vielleicht stehe ich schon bald bei einem deutsch-tschechischen Konzert, Theaterworkshop oder Ähnlichem wieder in den Räumen des Steinhauses. Man kann gespannt sein, was das Jahr an der Grenze der Städtepartnerschaft Bautzen-Jablonec noch so bringt – ich freue mich darauf und gehe es an.