Neue Impulse für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit

Kategorie: Westerzgebirge – západní Krušnohoří

Mich hat es total erwischt

BLOG č. 5

Als ich im Frühjahr erfuhr, dass ich für das Team der Enthusiasten und Macher/innen im Jahr an der Grenze ausgewählt wurde, konnte ich es erst kaum glauben. Es folgte große Freude, kleinere Bedenken, ob ich das wirklich schaffe, aber vor allem Vorfreude und Neugier auf die neuen Erlebnisse und Erfahrungen.

Ich ahnte schon, dass es Abenteuer werden würde, aber die Wirklichkeit übertraf alle meine Erwartungen. Nachdem ich mich durch die Tabellen und Berichte vom ersten Jahrgang und eine Menge neuer Infos durchgebissen und die anfängliche Befangenheit überwunden hatte, wuchs ich in meine neue Rolle hinein.

Ich zögere jetzt nicht mehr, wie ich mich am Telefon vorstelle, wie ich die erste Mail formulieren soll, das alles läuft schon irgendwie von selbst. Übrigens hat es sich als beste Art und Weise neue Kontakte anzuknüpfen bewährt, zum Telefon zu greifen und ein kurzes informelles Gespräch zu führen. Da merkt man meist in kürzester Zeit, woran man ist, kann auf den Kommunikationspartner reagieren, Fragen stellen und auch beantworten, manchmal auch ein bisschen Witze machen. Kurz gesagt, ich finde praktischer als umschweifiges E-Mail-Formulieren. Auch wenn sich so ein erstes Telefonat auch schonmal auf eine Dreiviertelstunde ausdehnen kann.

Manchmal stoße ich natürlich auch auf weniger enthusiastische Reaktionen. „Wir haben andere Sorgen (in der Gemeinde, in der Abteilung, im Verein), hier gibt es keine engagierten Menschen, niemand spricht Deutsch, wir kommen gar nicht hinterher, ich bin allein für alles da, mir fehlen die Mitstreiter …“ u.ä. Manchmal sind die Gründe verständlich, manchmal weniger. Damit muss man rechnen, wirklich schade ist daran die Tatsache, dass irgendwo auf der anderen Seite der Grenze jemand Motiviertes darauf wartet, dass ich den richtigen Partner für ihn finde.

Die deutsch-tschechischen Beziehungen sind mir eine Herzenssache und ich bin überzeugt, dass es gerade BEZIEHUNGEN und FREUNDSCHAFTEN sind, worum es uns im Jahr an der Grenze vor allem geht. Deshalb bin ich auch wenig begeistert von einigen scheinmotivierten Leuten, bei deren Interesse an der grenzübergreifenden Zusammenarbeit es mehr um Selbstdarstellung oder das Einwerben finanzieller Mittel zu gehen scheint als um Freundschaft.

Umso wunderbarer ist dann das Gefühl mit Leuten zu sprechen und sich zu treffen, die wirklich begeistert sind. Und von denen gibt es ganz schön viele.

Letzte Woche hatte ich die Möglichkeit gleich drei solche Menschen auf einmal zu treffen. In der schönen Umgebung des Berghof Gibacht war ich mit dem energischen Journalisten Karl Reitmeier verabredet, der bei keiner gesellschaftlichen oder kulturellen Begebenheit in der Region auf beiden Seiten der Grenze fehlen darf, der alle kennt und den alle kennen und der sich schon seit der Revolution in wesentlich für die Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen einsetzt. Kurz gesagt, wenn Sie wissen wollen, was in der Umgebung von Domážlice Interessantes los ist, fragen Sie Karl!

Er wollte gemeinsam mit Josef Altmann nach Gibacht kommen, seinem Freund und Kollege aus dem Verein Gäste- und Kulturführer Bayerwald e.V. Der hat in den vergangenen knapp 30 Jahren hunderte von Wander-Ausflügen, Erkundungsgängen und Fahrradtouren im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet organisiert und sich sehr um die Zusammenarbeit zwischen seinem Heimatort Eschlkam und den nahegelegenen tschechischen Gemeinden Kdyně und Všeruby verdient gemacht.

Für mich unerwartet kam zu dem Treffen mit Karl und Josef sozusagen als dritter Musketier auch noch Herbert Pöhnl dazu, Fotograf aus Viechtach. Das war eine schöne Überraschung, weil ich Herrn Pöhnl schon von früher her ein bisschen kenne und mir sein Projekt Begegnungen – Setkávání sehr gefällt, in dessen Rahmen er versucht, das Leben der Menschen im Grenzgebiet künstlerisch einzufangen und das Interesse der Deutschen an der Tschechischen Republik fördern.

Diese drei Herren sprühen trotz ihres fortgeschritteneren Alters nur so vor Energie, Optimismus, Ideen und Lust zu grenzübergreifenden Aktivitäten. Ich denke, dass sie damit vielen jüngeren Leute ein Vorbild sein können.

Einfach nur völlig großartige Menschen!

Ich empfinde große Dankbarkeit und Freude, dass ich sie kennenlernen durfte. Und freue mich sehr auf alle gemeinsamen Aktivitäten.

Vielleicht bin ich sentimental, aber allein heute war ich gleich zweimal sehr bewegt – zum ersten Mal beim Schauen des Kurzfilms Gemeinsam sind wir stärker“, der das Ergebnis eines Schulprojekts im Rahmen des Themas des Jahres 2023 war. https://www.fondbudoucnosti.cz/projekt-mesice-cervna-2023/

Und zum zweiten Mal als ich die schöne persönliche Widmung von Josef Altmann las, die mir der Autor bei unserem heutigen Treffen in sein Buch „Hinüber und Herüber“ hineingeschrieben hat.

Schon jetzt weiß ich, dass für mich mit dem Ende meines „Jahres an der Grenze“ ganz sicher nicht Schluss ist, es wird eher ein Anfang sein. Das, was mich bis vor kurzem nur interessiert und verlockt hat, umgibt mich plötzlich von allen Seiten. Kurz: Mich hat es total erwischt!

Ludmila Mathauserová

Leben (an der Grenze) mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nachhaltig? Es ist möglich, aber wie und wo…

BLOG Nr. 20

Das Engagement in „ein Jahr an der Grenze“ bringt oft unerwartete Herausforderungen mit sich. Neben technischen (z. B. den richtigen Eingang, die richtige Hausnummer oder den Zugang zum Online-Raum zu finden) und zeitlichen Hindernissen (sich kurz vor den Wahlen, vor Weihnachten, nach Weihnachten oder in den Frühjahrsferien zu treffen), gibt es manchmal auch „logistische“ Grenzen. Es überrascht nicht, dass (nachhaltiger) Verkehr und Mobilität auch ein Thema des trinationalen Bürgerdialogs in Dresden im vergangenen Jahr waren.

Denn wenn etwas problemlos funktioniert, neigen wir dazu, es als selbstverständlich hinzunehmen (z.B. eine Verbindung ohne Umstieg, die nicht eine Woche dauert, oder der Transport von Fahrrädern und Kinderwagen, ohne zu befürchten, dass die Verbindung nicht barrierefrei ist). Wir bemerken nur, was für ein Hindernis oder eine Einschränkung es darstellt, wenn der Dienst nicht mehr funktioniert.

Aber nicht überall ist die Situation kritisch, wie wir festgestellt haben. Und so können Sie das ganze Jahr über problemlos zu Freunden oder auf Reisen gehen, zum Beispiel auf den Strecken:

  • Tetschen-Bad Schandau-Sebnitz-Dolní Poustevna-Mikulášovice-Velký Šenov-Rumburk
  • Teplitz-Dubí-Cínovec-Altenberg-Dresden
  • Oberleutensdorf-Berg St. Katherine-Brandov-Olbernhau
  • Komotau-Křimov-Berg St. Sebastian-Reizenhain-Marienberg
  • (Komotau-Křimov-Výsluní-Měděnec-Kovářská-Vejprty-Cranzahl nur von Mai bis September)
  • Kaaden- Klösterle an der Eger-Měděnec-Kovářská-Vejprty-Annaberg
  • Karlsbad-Nejdek-Pernink-Horní Blatná-Potůčky-Johanngeorgenstadt
  • Sokolov-Kraslice-Klingenthal-Zwöta-Muldenberg-Zwickau
  • Eger- Franzensbad-Vojtanov-Aš-Selb-Rehau-Hof
  • Eger -Pomezí nad Ohří-Schirnding-Marktredwitz
  • Eger-Marktredwitz-Pegnitz-Nürnberg
  • Taus-Furth im Wald

Dort lohnt es sich auch, ausgetretene Pfade zu verlassen und die Schönheit der Landschaft, historische Denkmäler oder die kulinarische Vielfalt der Region zu entdecken.

Dann gibt es aber Orte, wo man bequeme Verbindungen länger suchen würde (Max, Veronika und Veronika haben es für Sie versucht), also aus dem Leben von Jahr an der Grenze:

Gebiet Schluckenau und Lausitz (Max)
Westliches Erzgebirge (Veronika K.)
Chodsko & Oberpfalz (Veronika W.)

Die obigen Ausführungen machen deutlich (und oft weiß die Kartensuchmaschine dies), dass es manchmal am effizientesten ist, einfach zu Fuß zu gehen.

„Keine Route gefunden“.

Aber auch für diese scheinbar ausweglose Situation gibt es eine Lösung. Wir haben uns mindestens drei einfallen lassen:

  1. Entweder man fährt mit dem Fahrrad oder den Langlaufskiern statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln 😊.
  2. Ihr trefft euch außerhalb eurer Standorte (einfach „in der Mitte“, wo ihr alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt; das erfordert allerdings extrem gute kombinatorische Fähigkeiten! 😊)
  3. Oder man schaut, ob es „zufällig“ eine Verkehrs-App im Nachbarland gibt, die eine Kombination mit lokalen Buslinien anbietet (z.B. Regionalverkehr Erzgebirge GmbH für tschechische Reisende im mittleren und westlichen Erzgebirge oder DÚKapka für deutsche Reisende in der Region Ústí nad Labem).

Meistens gibt es ähnliche Apps und der Fahrgast kann z.B. Regional-/Stadtbuslinien in der App finden. Als Nutzer müssen wir uns jedoch damit rechnen, dass nicht eine App, sondern eine Kombination aus mehreren Apps notwendig ist.

Mit diesem Trick (natürlich am besten noch im Warmen zu Hause auf dem eigenen Handy herausgefunden) dauert die Fahrt von Chomutov nach Zwönitz dann nicht mehr 4 Stunden, sondern nur noch 3 Stunden 😊.

Wir wünschen dem öffentlichen Verkehr in der Region viele glückliche Fahrgäste und den Gemeinden weniger überfüllte Parkplätze!

Max melzer, Veronika Kupková & Veronika Widmann

(Ungewolltes) deutsch-tschechisches Kulturerbe

BLOG Nr. 14

Die Grenzregion hat es in den letzten Jahren zweimal in die internationalen Medien geschafft. Das erste Mal im Juli 2019, als die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří UNESCO-Welterbe wurde. Das zweite Mal dann zwei Jahre später, als weitere bedeutende Kurstädte Europas in die Welterbeliste aufgenommen wurden. Darunter waren drei bekannte tschechische und drei deutsche Orte.

Es ist kein Zufall, dass es gerade das Erzgebirge auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes geschafft hat. Seit fünfzig Jahren wird dank des internationalen Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Oktober 1972) der einzigartige Wert von Bauwerken und Orten hervorgehoben, die eine außergewöhnliche Kombination menschlicher Schöpfungen und natürlicher Gebilde darstellen und einen einmaligen, nicht bezifferbaren Wert besitzen. Die Begründung für die grenzüberschreitende Eintragung des Erzgebirges lautete wie folgt:

“Dank mehr als 800 Jahren fast kontinuierlicher Gewinnung und Verarbeitung von Erzen wurde im Erzgebirge (Krušné hory) eine einzigartige Bergbaulandschaft mit einzigartigen montanen Denkmälern sowohl über als auch unter der Erde und mit einem dichten Netz von Bergbaustädten geschaffen. Es zeigt die enormen Auswirkungen des Bergbaus und der Erzverarbeitung auf beiden Seiten des Gebirges auf die Entwicklung des Bergbaus und der Metallurgie auf der ganzen Welt, insbesondere durch den Beitrag der Erfindungen und Innovationen, die für die Welt bedeutend sind, und zwar in den Bereichen Bergbau- und Metallurgie-Technologien. Auf der tschechischen Seite sind dies die Bergbaulandschaften Jáchymov, Abertamy – Boží Dar – Horní Blatná, Krupka, Mědník und der Rote Turm des Todes (Rudá věž smrti).”

(UNESCO Tschechische Republik)

Um das außergewöhnliche Vermächtnis, das sich im Inneren des Erzgebirges und auf seinem Kamm verbirgt, zu verstehen, bedarf es wahrscheinlich unzähliger Besuche von Stollen, Hämmern, Kalkwerken, Fördertürmen, Spaziergängen entlang von Kanälen und Gräben und vielen Stunden in Museen, Münzhäusern, Bibliotheken, Schlössern und Burgen. Oder die beste Variante von allen: Man macht einen geführten Spaziergang mit Herrn Urban, dem Autor des UNESCO-Nominierungsantrags, der wohl der Fremdenführer mit den fundiertesten Kenntnissen ist.

Montanregion Erzgebirge

Die sächsisch-tschechische Grenzregion hat durch das Weltkulturerbe ganz neue Impulse bekommen und ist zu einem Anziehungspunkt für Touristen aus nah und fern geworden. Die Peripherien Sachsens und Böhmens sind plötzlich in den Fokus derjenigen gerückt, die sich für die Geschichte des Bergbaus interessieren. Leider nicht für lange Zeit, denn nach einem halben Jahr der Freude kam der Lockdown (2020). Viele Menschen erreichten die Informationen über den „Weltruhm“ der „sich am Rande befindenden“ Region somit nicht, obwohl die Vertreter der Montanregion intensiv daran gearbeitet haben.

Noch erstaunter war ich, als ich Einwohner der Region fragte, ob sie wüssten, was für ein wichtiges Kulturdenkmal sich direkt bei ihnen um die Ecke befinden würde – sie wussten es nicht. Viele hatten nicht einmal mitbekommen, dass es von einer weltweit bedeutenden Organisation ausgezeichnet worden war. Kein Wunder, denn auf der tschechischen Seite sucht man das UNESCO-Schild oft vergeblich. Weder in Karlovy Vary (Eintragung 2021) noch in Měděnec (Eintragung 2019) ist es (bisher) im öffentlichen Raum zu finden.

Ich frage mich immer wieder vergebens, warum dem so ist. Wollen wir keine Touristen hier? Haben wir denn gar nichts zu bieten? Schämen wir uns für uns? Was wollen andere denn hier?! Ausländer? – Nein, danke. Ich weiß es nicht, ich habe die Gründe noch nicht gefunden. Im Vergleich dazu ist die Situation auf der sächsischen Seite anders. Hurra, wir sind Welterbe!, verkündet ein Banner auf dem Marienberger Markt und ist das erste, was mir als Besucher ins Auge fällt. Die Sachsen sind stolz auf ihr Kulturerbe, denke ich mir. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Kann man den Stolz auf die eigene Herkunft auch anderen beibringen? Brauchen wir ihn in der Tschechischen Republik? Wozu wäre das gut?  

Ich setze mich auf eine Bank auf dem Markt und lasse die Kulisse der Bergbaustadt auf mich wirken. Genau wie auf der tschechischen Seite ist der Platz der einst berühmten Stadt am frühen Abend fast leer. Trotzdem habe ich das gute Gefühl, dass hier Menschen leben, denen es nicht egal ist, wie ihre Stadt aussieht. Und dass sie stolz sind, wie man hier sagt – eben weil sie Welterbe ist, einzigartig, es keinen zweiten Ort wie diesen auf der Welt gibt, mit dieser Bedeutung! Und das, obwohl er auf einer Deutschlandkarte kaum zu finden ist!

Und was ist mit uns – werden wir unseren (verlorenen) Stolz (wieder)finden?

Bilderquellen :

https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland/montanregion-erzgebirgekrusnohori

Montanregion Krušnohoří-Erzgebirge, http://www.montanregion.cz/cs/mapa

VERONIKA KUPKOVÁ

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