BLOG Nr. 12

Wenn man noch neu in der Welt der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit in den unmittelbaren Grenzregionen ist und selbst viel Enthusiasmus für dieses Thema hat, überschätzt man doch manchmal das Interesse der anderen Menschen aus der Region an gemeinsamen Aktionen mit dem Nachbarland. Zumindest ging es mir über den Sommer oft so. Viele bereits grenzüberschreitend aktive Menschen aus meiner Region hatten mir in gemeinsamen Gesprächen gesagt, dass es häufig bei „älteren“ Freunden und Bekannten noch zu viele Barrieren im Kopf gibt, die grenzüberschreitende Begegnungen und Erlebnisse erheblich behindern. Aus ihrer Sicht ist es deshalb umso wichtiger, Schulen und Kindergärten für deutsch-tschechische Austauschaktivitäten zu gewinnen, um Kindern und Jugendlichen ein grundlegendes anderes, ein positives und offenes Mindset in Bezug auf das Nachbarland mitzugeben und sie schon frühzeitig gemeinsame Kontakte knüpfen zu lassen.

Doch wie genau stellt man so etwas an? Davon konnte ich mir diesen Sommer beim Auftakt eines einjährigen Schulbegegnungsprojekts zwischen der Sorbischen Grundschule in Bautzen und der Základní škola Polevsko ein Bild machen. Gregor von der Bautzener Grundschule hatte ich über meinen Programmkollegen Jan kennengelernt, und bei unserem ersten Gespräch über Potenziale im Grenzgebiet hat er mir gleich angeboten, zu den Schulbegegnungen mitzukommen. Ursprünglich wollte ich mir dabei nur den Ablauf der Begegnung und die Interaktion der deutschen und tschechischen Kinder ansehen – da man aber als „Macher und Enthusiast“ nicht nur in der Ecke stehen kann, fand ich mich dann im schönen Örtchen Polevsko mit einer eigenen Kleingruppe von Schüler*innen wieder, die ich selbstständig mit Sprachanimation betreuen und dann auch durch die spielerische Dorfrallye führen durfte. Das war eine schweißtreibende, aber sehr schöne Erfahrung, und der hervorragende Mix aus dem Aktivsein im Freien und sprachlichen Lerninhalten in spielerischer Form hat nicht nur den Schulkindern, sondern auch den mitgereisten Lehrer*innen und Eltern sehr gut gefallen. Das Organisationsteam beider Grundschulen hat diesen Tag super geplant und durchgeführt; zwei persönliche Anekdoten haben mir aber verdeutlicht, dass man bei grenzüberschreitenden Begegnungen von Kindern und Jugendlichen gar nicht so viel Angst vor dem Aufwand an Organisation und Sprachmittlung haben muss. Und dass „weniger“ vielleicht auch oft „mehr“ sein kann.

Anekdote 1: Zwei Stunden Sprachanimation ohne Pause durchzuziehen schaffen wohl nur Profis. Und da ich das nicht bin, habe ich zwei kurze Pausen eingelegt. Während meiner Animationsübungen waren die Kinder Ihren deutschen/tschechischen Altersgenossen gegenüber etwas zurückhaltend und es war herausfordernd, sie zu gemeinsamer Interaktion und Kooperation zu bringen. Mit Beginn der kurzen Pausen war diese Scheu wie weggeblasen. Beide „Lager“ hatten verschiedene Spiele- und Bildkarten mit und saßen in deutsch-tschechisch gemischten Kreisen zusammen, tauschten ihre Karten aus und kommunizierten eher über Hand und Fuß, ohne miteinander reden zu müssen. Ein schönes Beispiel dafür, dass oft auch ganz einfache, niedrigschwellige Ansätze zu einer gelungenen grenzüberschreitenden Interaktion führen können.

Anekdote 2: In meiner Kleingruppe unterstützten mich eine tschechische Lehrerin sowie ein deutscher mitgereister Vater. Für die Dorfrallye im Anschluss an die Sprachanimation musste die Gruppe allerdings aufgeteilt werden, sodass am Ende ich mit einer Hälfte und die anderen beiden mit der zweiten Hälfte unserer deutsch-tschechischen Kleingruppe unterwegs waren, um beide Sprachen abdecken zu können. Da bei der Lehrerin und dem Vater aber eine gemeinsame Mittlersprache fehlte, wusste bei den beiden keiner so richtig, wie das überhaupt funktionieren soll. Dass ihre Gruppe dann eine der besten von insgesamt 12 Gruppen war und bei den einzelnen Aufgabenstationen fast doppelt so viele Punkte wie meine Gruppe sammeln konnte, zeigt, dass Sprache nicht alles ist. Zurück auf dem Schulhof freut sich die Gruppe über das gute Ergebnis, die tschechische Lehrerin, der deutsche Vater und die deutsch-tschechische Schülergruppe klatschen sich ab. Von ihnen hätte wahrscheinlich noch am Morgen keiner gedacht, dass sie Teil einer so gelungenen deutsch-tschechischen Teamarbeit werden können. Das macht doch Lust auf mehr?

Ende September steht das nächste Treffen der Grundschulen an, diesmal in Bautzen. Und wer weiß, vielleicht entstehen ja schon dort nach dem ersten, vielleicht auch etwas nervösen gemeinsamen Kennenlernen in diesem Sommer schon ein paar richtig feste Freundschaften. Ich war begeistert davon, zu sehen, wie eine solche Begegnung umgesetzt wird und schöne, gemeinsame Erlebnisse und Verständigung auch dann funktionieren kann, wenn kein/e Dolmetscher/in bei einer Gruppe ist. In der Zwischenzeit freue ich mich auf die nächsten Begegnungstreffen im September, Dezember und um Ostern und arbeite bis dahin daran, dass noch mehr Kindergärten und Schulen Lust auf ein solches Begegnungsprojekt bekommen.

MAX MELZER