Jedenfalls trifft das für die deutschen und tschechischen Freunde am vergangenen Wochenende in der Mikroregion Konstantinolázeňsko zu.
Am frühen Vormittag fand sich bereits eine motivierte Truppe unter Bürgermeister Vladimír Krejča in Černošín ein, um eine Allee von Bäumen anzupflanzen. Unter fachkundiger Anleitung zweier Experten wurden Löcher gegraben und Bäume gesetzt. Natürlich blieb auch Zeit für eine Erfrischung und für Gespräche über deutsch-tschechische Themen.
Anschließend ging es weiter zum berühmten Apfelfest auf der Anhöhe Krasíkov. Dieses Fest mit verschiedenen kulinarischen und künstlerischen Beiträgen fand schon zum 22. Mal statt.
Fanden vor Corona teilweise bis zu 5000 Besucher zum Fest, hat man nun allmählich versucht, der Veranstaltung wieder einen gemeinschaftlicheren Charakter zu verleihen.
Durch die tolle Organisation ist das auch absolut gelungen und so konnten die immer noch zahlreichen Besucher das Fest mit Mošt und vielen Leckereien vollauf genießen.
Nicht fehlen durfte natürlich eine Delegation aus der Partnerregion Steinwald-Allianz. Knapp 50 Besucher sind mit dem Bus aus Bayern gekommen und verbrachten einen wunderschönen Nachmittag bei Ihren Freunden.
Bayerisches Bier, Würste und Brezen am Stand der Steinwald-Allianz bildeten so die Brücke und sorgten für reges Interesse an den Gästen.
Für das nächste Treffen müssen die beiden Partnerregionen Konstantinolázeňsko und Steinwald-Allianz aber sicher nicht bis nächstes Jahr warten. Bereits für die nächste Woche ist ein Treffen mit Vertretern und Bürgermeistern geplant.
Und wer weiß, vielleicht kann so ja aus dem Herbstblues und dem Herbst der Pilzesucher ein goldener Herbst werden – zumindest für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit. 😉
Während der Zug durch das Elbtal rollt, habe ich Zeit, über die letzten drei Monate nachzudenken. Ich bin auf dem Weg nach Dresden, treffe mich dort mit einem Freund. Die Strecke von Litoměřice durch das Elbtal ist mir mittlerweile sehr vertraut, doch jede Fahrt bietet neue Perspektiven und Gedankenanstöße. Seit ich im Programm „Ein Jahr an der Grenze“ arbeite, hat sich mein Alltag stark verändert. In gewisser Weise spiegelt diese Reise auch meine Arbeit wider – eine konstante Bewegung, mal schneller, mal langsamer, mal einfach, mal kompliziert, aber immer begleitet von neuen Entdeckungen.
Die ersten Monate waren eine spannende, aber auch intensive Phase des Kennenlernens und Verstehens. Ich habe die Grenzregion, in der ich schon länger arbeite, auf eine völlig neue Weise erlebt. Menschen, die ich schon seit Jahren kenne, sind mir noch einmal auf ganz neue, überraschende Weise begegnet. Gleichzeitig hatte ich die Chance, viele neue Kontakte zu knüpfen und Menschen kennenzulernen, die sehr viel Energie in ihre Projekte und Hobbies stecken.
Aber es wäre eine Lüge zu behaupten, dass alles immer einfach gewesen wäre. Besonders die Ambivalenz der deutsch-tschechischen Beziehungen hat mich oft beschäftigt. Auf der einen Seite gibt es hier viele Menschen, die mit Begeisterung grenzüberschreitende Projekte unterstützen und aktiv an etwas Gemeinsamen arbeiten wollen. Ihre Energie und ihr Enthusiasmus sind ansteckend und geben mir Hoffnung für die kommenden Monate. Doch dann gibt es auch die andere Seite – unbeantwortete Emails, Menschen, die sich nach einem ersten Gespräch nie wieder bei mir melden. Ich merke, dass einige Leute keine Zeit oder Motivation haben, sich auf neue Projekte einzulassen. Manchmal setzen sie ihre Prioritäten anders, und oft habe ich Verständnis dafür. Jeder hat seine eigenen Herausforderungen, seine eigenen Sorgen. Trotzdem lässt mich dieser Gedanke nicht los: Desinteresse ist gefährlich, besonders in Zeiten wie diesen. Rassismus, Hass und Gewalt sind Alltag, auch in sonst freundlichen Gesprächen. In solchen Momenten wird mir klar, wie wichtig es ist, nicht aufzugeben, sondern weiterhin für Verständigung und Offenheit zu arbeiten. Deutsch-tschechische Projekte sind sicherlich nicht die Lösung all dieser Probleme, aber sie sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie helfen uns, unsere Herzen offen zu halten und den Dialog zu fördern, auch wenn es manchmal schwierig ist.
Ende Januar und Anfang Februar ist es mir gelungen, ganz unterschiedliche Akteure der regionalen Kultur miteinander in der Grenzregion zu vernetzen. Ich kann mich wirklich nicht darüber beklagen, dass mein Leben während des Programms „Ein Jahr an der Grenze“ nicht abwechslungsreich war und dass ich nicht ständig neue Dinge gelernt habe – zum Beispiel, wie man Schachregeln richtig interpretiert oder wie man eine Schachpartie idealerweise eröffnet. Aber dazu gleich mehr…
Ich freue mich sehr, dass wir zusammen mit der Leiterin der Bildungsabteilung der Stadtbibliothek in Děčín, Frau Miroslava Nedvědová, in die Stadtbibliothek im benachbarten Pirna eingeladen wurden. Die beiden Städte verbindet nicht nur die immer größer werdende Elbe im Norden, sondern auch aktive Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die sich für einen deutsch-tschechischen Austausch stark machen. Frau Viola Marzahn empfing uns zusammen mit ihrem Vorgesetzten, Herrn Schreiber, dem Leiter der Kultur und Tourismus GmbH, zu dem die Stadtbibliothek gehört. Wir wurden durch das sehr kunstvoll restaurierte historische Haus geführt, in dem die Bibliothek untergebracht ist, und zwar buchstäblich vom Keller, in dem angeblich manchmal das Leben im Mittelalter nachgespielt wird, bis zum Dachgeschoss, wo sich die Kinderabteilung für die jüngsten Leser befindet. Neben den Büchern bietet der gemütliche Raum auch alle anderen Medien, in denen Literatur heute verfügbar ist, aber auch in Form von Filmen, Musik oder Computerspielen, sowie eine Bibliothek der Dinge, in der man sich spielerische Hilfsmittel zur weiteren Vermittlung des geschriebenen Wortes ausleihen kann.
Unter anderem bewunderten wir mit Frau Nedvědová die moderne Selbstbedienungswand für die Rückgabe von Leihgaben, die jetzt in Pirna im Foyer steht.
Im festlichen gotischen Saal im Erdgeschoss stellten wir bei Kaffee und traditioneller sächsischer Eierschecke das Konzept und die Aktivitäten beider Bibliotheken im Bereich der Bildungskurse und Kulturveranstaltungen vor und diskutierten die Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit. Es stellte sich heraus, dass die beiden Bibliotheken in ihren jeweiligen Gemeinden leicht unterschiedliche Funktionen haben. Die Bibliothek in Pirna ist in erster Linie eine klassische Bibliothek, während die Bibliothek in Děčín, auch durch ihre Geschichte der Zusammenlegung mit dem Kulturzentrum, eine reine Kultur- und Gemeindezentrumsfunktion hat., Wir fanden aber ein gemeinsames Thema, mit dem wir beginnen konnten, nämlich eine literarische Lesung des Schriftstellers Mark Toman und seines Comic-Buches „Vertriebene Kinder“, das sowohl für Schulkinder als auch für ältere Kinder und Erwachsene geeignet ist. Zufälligerweise wird das Thema der Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg auch in der Ausstellung behandelt, die derzeit im Stadtmuseum Pirna vorbereitet wird, das direkt neben der Bibliothek liegt. Wenn alles gut geht, werden also dank der Zusammenarbeit der beiden Bibliotheken und des Museums die jetzige Bevölkerung und die Besucher von Pirna die Lebensgeschichten der vertriebenen Deutschen gleich aus mehreren Perspektiven erleben können, nicht nur aus der Kinderperspektive, auch wenn diese für viele neu sein dürfte.
Noch vor der eigentlichen deutsch-tschechischen Lesung, die im Mai dieses Jahres für einen Tag in Děčín und am Folgetag in Pirna stattfinden soll, was ein sinnvoller Schritt ist, um ein interessantes Programm auf beiden Seiten der Grenze zu teilen, ist nun der nächste Schritt der Gegenbesuch von Frau Marzahn und ihren Kollegen in Děčín.
Und in derselben Woche, in der ich in die Tätigkeit der Bibliotheken an der Elbe eingedrungen bin, fand ich mich nur wenige Tage später frühmorgens im nebligen Varnsdorf im Schluckenauer Vorland im Gebäude der ehemaligen Textilschule von 1882 wieder, die heute ebenfalls die Bibliothek, aber auch das Haus der Kinder und Jugendlichen beherbergt. Und dort versammelten sich schon um 8 Uhr morgens junge Schachspieler und ihre Eltern oder Großeltern in Autos mit deutschen Kennzeichen.
Zusammen mit dem TJ Slovan Varnsdorf luden wir unsere Kollegen vom SC 1994 Oberland e. V. aus Leutersdorf zu ihrem halbjährlichen Turnier ein und wir waren angenehm überrascht, dass die deutsche Gruppe recht groß war, obwohl gerade in Sachsen gar keine Ferien waren. Aber den deutschen Kindern hat das Turnier wohl umso mehr Spaß gemacht und sie belegten auch die ersten Plätze in der Kategorie der jüngeren Schüler.
Der Vorteil des Schachspiels ist, dass sich die Spieler immer ohne Worte verständigen und die Regeln international sind, so dass ein Tscheche und ein Deutscher, auch wenn sie sich direkt gegenüber sitzen, nicht in einer Fremdsprache kommunizieren müssen. Gleichzeitig gab es aber auch einen kleinen Sprachaustausch, vor allem, wenn die Schiedsrichter in strittigen Momenten hinzugezogen wurden oder in den Pausen zwischen den Runden, in denen sie einen Imbiss zu sich nahmen, gemeinsam übten und andere Gelegenheiten zum gemeinsamen Spiel planten. Der Trainer der Varnsdorfer Schachspieler, Herr Václav Halba, ist sehr aktiv und lebt für das Schachspiel und die Weitergabe seiner Fähigkeiten an die Jugend.
Und es scheint, dass er in Frank-Peter Rößler endlich einen Partner gefunden hat, mit dem er regelmäßig gemeinsame Turniere und Trainingslager organisieren kann. Varnsdorf verfügt über geeignete Räumlichkeiten sowie die Unterstützung des örtlichen Vereins, und Leutersdorf ist offen für weitere Kooperationen und organisiert auch Veranstaltungen wie die Schachwoche Mitte Februar, zu der die tschechischen Kollegen gleich eingeladen wurden. Abgesehen vom Schachspiel ist das offensichtliche Bindeglied jedoch der gemeinsame Sinn für Humor, selbst bei Missverständnissen, die bei der Kommunikation in einfachem Deutsch und Russisch leicht passieren können…
Ob Schachmatt, Patt oder Unentschieden, vor allem ist es eine ermutigende Lektüre für weitere Versuche der grenzüberschreitenden Vernetzung innerhalb des Programms „Ein Jahr an der Grenze“!
Was passiert in diesem Jahr an der deutsch-tschechischen Grenze im Gebiet von Liberec (Reichenberg) und Horní Lužice (Oberlausitz), Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) und dem Elbtal? Es ist eine ganze Menge los! Hier ein ganz kurzer Überblick…
Derzeit bin ich noch voller Eindrücke aus Zittau, wo sich die Leiter und Besucher*innen des Jugendcafés Café X des Deutschen Kinderschutzbundes und die Leiter und Klient*innen der niederschwelligen Einrichtung Wafle der Organisation Rodina v centru aus Nový Bor (Haida) zum ersten Mal trafen. Es war ein sehr freundliches Treffen mit einem gemeinsamen Tischfußball- und Tischtennisspiel, das ohne größere Hindernisse bei der Kommunikation und beim Austausch verlief. Das einzige Hindernis tauchte unerwartet kurz vor dem Treffen auf. Es lag in der leider noch ungewissen Existenz des Cafés für das nächste Jahr, eine völlig neue, unangenehme, wenn auch noch nicht hundertprozentig bestätigte Nachricht, die keine der Gruppen vor dem Treffenstermin kannte. Das Treffen fand dennoch in einer erwartungsvollen Atmosphäre statt und wir werden die begonnene Partnerschaft auf jeden Fall weiter ausbauen, sei es mit dem Jugendcafé X oder dem Offenen Treff, einem Raum für jüngere Jugendliche und Kinder in derselben Einrichtung. So oder so, ich drücke dem Café X beide Daumen!
Es folgte eine abenteuerliche und unerwartet anstrengende Reise durch die eiskalte Nacht von Zittau über Dresden nach Chemnitz und die Teilnahme am dortigen Deutsch-Tschechischen Regionalforum. Was ich daraus mitgenommen habe, ist u.a. die Bestätigung meiner Meinung, dass jede Grenzgemeinde und jede größere Institution einen ständigen Koordinator*in für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit braucht, der sich langfristig für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einsetzt, damit gemeinsame Partnerschaften und Projekte nachhaltig sind. Es wurde auch vorgeschlagen, dass dies eine in der Gesetzgebung verankerte Verpflichtung für die Grenzgemeinden sein sollte, zumindest für einen vorübergehenden Zeitraum…
Am nächsten Tag in Chemnitz nutzte ich die Gelegenheit, mit der Plattform Kreativni.uk von Ústí nad Labem die zukünftige Kulturhauptstadt Europas zu besichtigen. Ich dachte an den Slogan „Chemnitz ist weder braun noch grau“, hinter dem sich die gleichnamige Initiative aktiver Bürger*innen verbirgt und die darauf hinweist, dass Chemnitz weder eine Stadt der (Neo)Nazis* oder Nationalist*innen ist, die durch die Farbe Braun symbolisiert werden, noch eine uninteressante graue postsozialistische Stadt mit rückläufiger Industrie. Und ich frage mich, ob so etwas auch Ústí nad Labem anstoßen könnte und ob Ústí in naher Zukunft Kulturhauptstadt Europas werden könnte? Bis jetzt scheint es wie ein Witz, aber paradoxerweise würde es Sinn machen.
Und dann ist da noch der wichtige erneute Besuch in Liberec, wo ich festgestellt habe, dass der Verein Tulipán, der sich auf die Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen konzentriert, mit einem sehr durchdachten und sinnvollen Konzept arbeitet. Seine Mitarbeiter*innen sind bestens vorbereitet und freuen sich auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Jetzt müssen sie nur noch eine Partnerorganisation auf deutscher Seite finden, was bisher in diesem Bereich aufgrund der Arbeitsbelastung der potenziellen Partner ein Problem war. Aber während der Destigmatisierungswoche mit dem Verein Tulipán hatte ich die Ehre, dabei zu helfen, den Weltrekord im massenhaften Zerplatzen von Plastikblasen zu brechen. Diese Blasen sind ein Symbol für die zerbrechliche menschliche Seele und werden ansonsten werden für die Verpackung von Produkten aus geschützten Werkstätten verwendet. Dieser symbolische Akt der Verbindung stimmte mich optimistisch…
Noch am gleichen Abend fand ich mich in einem Paralleluniversum in Liberec wieder, bei einem Weihnachts-Networking bei Lipo.ink, einem Liberecer Inkubator für vielversprechende Start-ups, wo das bereits 10. Treffen vom Verein „Frauen aus dem Norden“ organisiert wurde, der sich auf die Schaffung eines sicheren Raums für unternehmerisch aktive Frauen aus Nordböhmen, ihre Ausbildung und Emanzipation konzentriert. Den Frauen aus dem Norden wird nachgesagt, dass sie rauer, sportlicher und weniger gesellig sind als anderswo, aber der Verein konnte dieses Stereotyp erfolgreich überwinden und hat im vergangenen Jahr auch eine Zusammenarbeit mit der deutschen Initiative „Löbaulebt“ begonnen, die er gerne fortsetzen möchte. Alle bisherigen Teilnehmerinnen würden sich über gleichgesinnte Frauen aus Sachsen bei zukünftigen Treffen freuen.
Anfang November war für mich als Koordinatorin der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein Durchbruch in Sachen Vertrauen und Motivation, in dem ich an mehreren Veranstaltungen im Rahmen der Tage der tschechischen und deutschen Kultur teilnahm. Ein an sich etabliertes, für mich aber neu entdecktes Festival hat in diesem Jahr durch die Mithilfe der Stadthalle Hraničář in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) bei der Organisation auf tschechischer Seite und der Ausweitung des Programms auf kleinere Städte (außerhalb Dresdens tut sich immer mehr) einen neuen Atem bekommen zu haben. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mehr Veranstaltungen abseits des Mainstreams zu besuchen, die sich auf communities und Begegnungen konzentrieren. Und obwohl ich anfangs Zweifel hatte, ob ich bei diesen Veranstaltungen nur Akteure treffen würde, die bereits über die Grenze hinweg miteinander verbunden sind, stellte ich fest, dass das Spektrum der „Dienstleistungen“, die wir im Rahmen des Jahres an der Grenze anbieten, nämlich die Kontaktaufnahme mit aktiven Bürgern und Vereinen im Grenzgebiet, die Vermittlung von Kontakten zu gleichgesinnten Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen sowie die Zusammenführung von Personen, die an einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder Partnerschaft interessiert sind, hier großen Anklang fand.
So ging ich eines Tages zur Deutschkonversation in den „Deutschklub mit Überraschung!“ in Litoměřice (Leitmeritz), wo nun schon im 7. Jahr das Motto gilt: „Da wir in Leitmeritz sind, sprechen wir natürlich Deutsch – und zwar so, wie es jeder vermag“ und um bei dieser Gelegenheit gemeinsam Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln. Leider war ich auf diesen Umstand nicht ganz vorbereitet und die Leiterin des Clubs, Hana Pavlištová, hätte mich fast nicht reingelassen. 😊 Aber zum Glück sah ich ein bekanntes Gesicht – die Mitorganisatorin des Abends und hartnäckige Organisatorin der Alternativkultur in Litoměřice Renata Vášová –sie sorgte nicht nur dafür, dass ich eingelassen wurde, sondern stellte mich auch gleich ihrer Kollegin Hanka Galiová vor. Hanka Galiová hat die Leitung ihres gemeinnützigen Vereins Kinoklub Ostrov übernommen, der nicht nur das Sommerkino von Litoměřice und den Filmclub betreibt, sondern auch jedes Jahr Ende August das renommierte Filmfestival organisiert. Und Hanka und ich begannen sofort, Pläne für grenzüberschreitende Aktivitäten zu schmieden, und zu uns gesellte sich eine sehr wichtige Person, sozusagen eine Kultfigur, nämlich Lenka Holíková vom Kulturzentrum Řehlovice. Ich traf beide im November bei einer Besichtigung des Sommerkinos auf der hiesigen Střelecký-Insel und der Gotischen Zwillingsgalerie im ältesten Haus in Litoměřice wieder. Es war sofort klar, dass die „Club“-Szene dort den deutschen Partnern, die ihnen zweifelsohne am Herzen liegen, viel zu bieten hat und dass das Networking Spaß machen würde.
Eine ähnliche Veranstaltung wie der Deutschklub, bei der die erwähnte „Überraschung“ eine großartige Verkostung sächsischer Weine aus den Weinbergen der Elbe-Region war (unter der hervorragenden fachlichen Anleitung der „Weinkönigin“, Frau Juliana Kremtz), stellte die deutsch-tschechische DŽEM-Session in Pirna dar. Es ist ein bereits traditioneller Wettbewerb um die beste Marmelade, Konfitüre oder das beste Fruchtpüree im Rhythmus des Jazz, der diesmal von einer Band aus Děčín (Tetschen) dageboten wurde. Abgesehen davon, dass ich wieder überrascht war, wie viele Leute sich mit ihren Kostproben an dem Wettbewerb beteiligten, war ich schon besser vorbereitet als beim letzten Mal. Ich hatte auch genügend Bargeld dabei, um auch eine der besten Marmeladen, natürlich Birne, zu versteigern, denn darin sind sie die Besten in Pirna und konnte damit einen Beitrag zur Initiative Pirna 800 leisten.
Die Initiative hat die Veranstaltung mitorganisiert und sich zum Ziel gesetzt, bis zur 800-Jahr-Feier der Stadt Pirna (wahrscheinlich bis 2033) 800 neue Bäume zu pflanzen. Abgesehen davon, dass ich mich über diese Initiative und die Möglichkeit, einen Beitrag dazu zu leisten, sehr gefreut habe, hat mich auch die Tatsache amüsiert, dass die Stadt Pirna eine Birne oder einen Birnbaum in ihrem Wappen führt, was sicher irgendwie mit der phonetischen Ähnlichkeit der beiden Wörter Pirna – Birne zusammenhängt. Aber ich musste wirklich lachen, als Helge Goldhahn, der Vater der Initiative Pirna 800, mir auf Tschechisch erzählte, dass er einen Teil seines Lebens in Brünn gelebt habe und man ihn nie richtig verstand, wenn er zu erklären versuchte, dass er nicht „aus Brünn“, sondern „aus Pirna“ sei… Und ich weiß jetzt nicht genau, wie das zusammenhängt, aber ich musste an Karel Gott und seinen gleichnamigen Schlager denken, als ich mich dem Restaurant Babička in Pirna näherte –seine Lieder und das gemeinsame deutsch-tschechische Musizieren standen tatsächlich an diesem Abend auf dem Programm. Natürlich werden bei der allgemeinen Heiterkeit auch Kontakte geknüpft, und wir konnten mit der Bildungsleiterin der Stadtbibliothek Děčín, Frau Mirka Nedvědová, die auch die diesjährige DŽEM-Sitzung mitorganisiert hat, ernsthafte Pläne entwickeln, wie wir beim Organisieren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei deutsch-tschechischen Literaturabenden, Kunstworkshops und Ausstellungen, beim deutsch-tschechischem Theater, Vorträgen über die deutsche Geschichte der nordböhmischen Region, Erfahrungsaustauschen über die Nutzung ehemaliger Industriegebäude und das Funktionieren von Bürgerinitiativen usw. mithelfen könnten. Bibliotheken sind neue Kultur- und Gemeinschaftszentren, und es wäre schade, wenn ihr gegenwärtiger Aufschwung keine Unterstützung finden würde. Es ist zu hoffen, dass zumindest einige der Pläne bis zum Ende des aktuellen Jahrgangs von Ein Jahr an der Grenze verwirklicht werden können.
Der bestirnte Himmel über mir und die grenzenlose Freundschaft in mir. frei nach Immanuel Kant
In den letzten zwei Jahren haben wir hier in der sächsisch-böhmischen Grenzregion eine getrennte Nachbarschaft erlebt, aber wir haben uns nicht mit den wie ein dunkler Schatten wieder erschienenen Grenzen abgefunden. In all dieser Zeit hat uns der Anblick des Sternenhimmels, der keine Grenzen kennt und der auf der Erde scheinbar getrennte Welten vereint, Hoffnung und Kraft gegeben. Wenn wir vielleicht doch das berechtigte Gefühl hatten, dass wir in den böhmisch-sächsischen Nachbarschaftsbeziehungen einen Schritt zurückgehen mussten, dann lasst es uns als Herausforderung nehmen, jetzt mindestens zwei Schritte vorwärts zu gehen. Versuchen wir, die begrenzte grenzüberschreitende Nachbarschaft, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, in die grenzenlose Freundschaft der Zukunft zu überführen. Und wo soll man anfangen? Nun, hier, an einem Ort an der – vielleicht bald wieder kaum scheinbaren – Grenze, in einer Region mit dem Arbeitstitel LAUBA!
Woher kommt LAUBA? Es handelt sich um ein grenzüberschreitendes Gebiet am linken Elbufer, das grob durch den Oberlauf des Flusses GottLEUBA auf sächsischer Seite und des EuLAUBAchs (auf Tschechisch Jílovský potok), auf böhmischer Seite begrenzt wird. Was bedeuten die tschechischen Worte (und gleichzeitig auch Germanismen) LOUBÍ oder podLOUBÍ auf Deutsch? Ungefähr so viel wie die deutsche LAUBE und der LAUBEngang, und damit sind wir wieder beim SternenLAUBE, die uns, genauso wie die LAUBE oder der LAUBEngang, imaginär verbindet und uns auch stärkt und vor den Tücken der Zeit schützt. Nur eine starke und widerstandsfähige Freundschaft hier in unserer kleinen LAUBA ist der Weg in die Zukunft eines großen und demokratischen Europas.
VZHŮRU KE HVĚZDÁM / HOCH ZU DEN STERNEN ist der Titel der Fotoausstellung von Stephan Messner, die die Idee widerspiegelt, den Sternenhimmel mit ausgewählten geistlichen Orten auf beiden Seiten der Grenze zu verbinden. Die Idee der Ausstellung, verkörpert durch die Serie von zwanzig Fotografien, ist zwar bereits längst vor dem Start des Programms Ein Jahr an der Grenze geboren worden, aber dieser (sprach)spielerische Text über die „eine“ Landschaft ohne trennende Grenze ist schon als eine Art Reflexion unserer intensiven Debatten über den Sinn und das Ziel des Programms zu verstehen. ES LEBE LAUBA!
Vernissage: Botschen-Kapell in Libouchec/Königswald, 10. 6. 2022, 18:00 Uhr
Ich lade zu Gesprächen über die vereinten und „entgrenzten“ Regionen entweder direkt während der Ausstellung oder jedes andere Mal herzlichst ein!