BLOG Nr. 9
„Es ist hier so traurig, wegen der Geschichte“, sagt meine neue Freundin aus Westböhmen. Vor mehreren Jahren ist sie 200 km weiter nach Osten, ins südliche Böhmen, gezogen und sieht nun manches, was die Einheimischen nicht mehr wahrnehmen, klarer.
Kennengelernt haben wir uns in der Gegend von Česká Lípa, nicht weit von dem Ort, den viele aus dem tschechoslowakischen Märchenfilm „Die stolze Prinzessin“ kennen. Hier gibt es malerische Aussichten auf eine malerische Landschaft, die trotz ihrer abrupten kegelförmigen Hügel und dynamischen Täler harmonisch wirkt. So märchenhaft ging es hier aber nicht immer zu. In der Nähe befand sich einst eine Nazifabrik und nach dem Krieg haben Zugezogene aus dem Landesinneren mit den ursprünglichen Einwohnern relativ wahllos abgerechnet. Mir fallen wieder Janas Worte ein – und ich frage mich: Wie kann ein Ort wegen seiner Geschichte traurig sein? Als würde sich Trauer über Generationen hinweg vererben. Wie kann es sein, dass man das heute noch ,sieht‘ – ohne dass man ein Studium der Landschaftsmalerei oder anthropologische Geländeübungen absolviert hat?!
Ein paar Kilometer weiter herrscht trotz stillgelegter Eisenbahngleise Leben. Im frisch renovierten Zentrum für Bildung und Kultur (CvaK) treffen sich gerade Deutsche und Tschechen, um die Grundlagen des Bergsteigens zu erlernen. Sport verbindet, sage ich mir, zur Verständigung braucht es nur ein paar Gesten. Genau wie Musik oder Kunst schlechthin. Auch diese menschlichen Tätigkeitsfelder zeugen oft von der gemeinsamen Geschichte – und die enthält nicht nur ,Trauriges‘, sondern auch Hoffnungsvolles. Wie die Geschichte von der deutsch-tschechischen Freundschaft zwischen Emil Zátopek und Herbert Schade.
Ich unterhalte mich mit dem Hausmeister des CVaK. Der nickt zustimmend und sagt, hier fänden zuweilen auch andere internationale Treffen statt. Auch wenn es hier nicht direkt ,an der Grenze‘ ist, begegnen sich Menschen verschiedener Nationalitäten. Und ich – sinniere darüber nach, was für außergewöhnliche Möglichkeiten wir doch heute in der Grenzregion haben: Wir können mit deutsch-tschechischen Treffen eine andere, fröhlichere Geschichte ,schreiben‘.
Am zweiten Tag geht es auf in die Felsen. Die Klangkulisse lässt ahnen, dass da am Seil Angehörige verschiedener Nationalitäten ,hängen‘. Egal, wer wen sichert – wichtig ist, dass man einander wahrnimmt und sich automatisch auf den anderen verlassen kann, wenn einem mal das Seil ,wegrutscht‘. Wie z.B. Deutsche und Tschechen im heutigen Europa, denke ich mir.
Begebt euch also getrost mit Ein Jahr an der Grenze auf Expedition – ins Gelände oder auch nur symbolisch (z.B. in Form von Sport, Kunst und mit unserem Blog). Ihr werdet bestimmt was anderes erleben als jene ,ererbte‘ Trauer.
Ich und die anderen Botschafterinnen und Botschafter von Ein Jahr an der Grenze begleiten euch dabei gern.
P.S.: Falls ihr für euer Treffen einen geeigneten Ort in der deutsch-tschechischen Grenzregion sucht – hier ein paar Tipps:
Bayreuth – Jugendherberge
Falkenstein – Wildniscamp am Falkenstein
Hejnice – Klášter, vzdělávací, konferenční a poutní dům
Jelení bei Nové Hamry – Mezi Jeleny
Haidmühle – Haus Waldmichl
Hinterhermsdorf – ELBI Haus
Hohenau – Jugendwaldheim „Wessely Haus“
Horní Maršov – SEV DOTEK (Umweltbildungszentrum DOTEK)
Horská Kvilda – SEV Národního parku Šumava (Umweltbildungszentrum des Nationalparks Böhmerwald)
Horažďovice – PROUD: Envicentrum Podbranský mlýn (PROUD: Umweltzentrum Podbranský mlýn)
Lesná u Boleboře – Horský areál (Berggelände)
Nový Oldřichov – Centrum vzdělávání a kultury (Zentrum für Bildung und Kultur)
Prachatice – CEV Dřípatka (Umweltbildungszentrum Dřípatka)
Schmalzgrube – Naturherberge Hammerwerk
Waldmünchen – Jugendbildungsstätte
Wunsiedel – Jugendherberge
Zethau – Grüne Schule grenzenlos
Zinnwald – Jugendherberge
Veronika Kupková