BLOG Nr. 18

Seit Dezember 2022 schon entführt das Theater Cheb seine Zuschauerinnen und Zuschauer in die Welt der Märchen: „Es war einmal hinter den sieben Bergen“ (im Tschechischen sind es neun Berge: Bylo nebylo za devatero horami). Rasant führt der Erzähler und Moderator Kájen durch fünf tschechische Märchenklassiker im modernen Gewand und bezieht das Publikum immer wieder mit ein.  So weit so gut. 

Den Kontakt zwischen dem Theater Cheb und dem Rosenthal-Theater in Selb hatte schon meine Vorgängerin im Projekt, Iva Ellrodt, hergestellt. Siehe ihren Blog vom 16.3.2023. Zu Beginn des Jahres 2024 ist es endlich soweit: Am Sonntag, 7. Januar, wird „Es war einmal…“ in einer deutsch-tschechischen Version in Selb aufgeführt. Kájen spricht das Publikum überwiegend deutsch an, die Dialoge aber erklingen mal in der einen, mal in der anderen Sprache. So kann man der Handlung folgen und bekommt doch ein Gespür für die Grenzen der Zweisprachigkeit. Am Montag darauf, am 8. Januar, folgt eine besondere Vorstellung und ein schönes Beispiel, wie Begegnung aussehen kann, wenn alles Gute zusammenkommt:

Als ich den Saal des Rosenthal-Theaters betrete, schlägt mir das Rauschen von über 250 Kinderstimmen entgegen. Jeder teilnehmenden Schule aus Selb und Aš ist eine Sitzreihe zugeordnet. Nach den obligatorischen Begrüßungsreden geht es zur Sache: Simona Pöder Innerhofer und Christoph Mauerer von TANDEM bringen den Saal zum Kochen. Die beiden Sprachanimateure passen ihr Konzept für kleinere Gruppen kurzerhand an: einmal herumdrehen bitte und sich in der Zielsprache vorstellen: Hallo, ich bin… Ahoj, já jsem… Auch Bewegung kommt nicht zu kurz. Aus der berühmten Tanzszene „I like to move it, move it“ aus dem Zeichentrickfilm Madagascar (https://www.youtube.com/watch?v=hdcTmpvDO0I) wird I like to mluv it, mluvit. Mit dem Fliegerlied von Tim Toupet (https://www.youtube.com/watch?v=DDu5n9-ZkRE) dürfen neue Worte spielend und tanzend ausprobiert und gemerkt werden. 

Schon ist Halbzeit beim Deutsch-Tschechischen Theatertag. „Für mich war es sehr berührend, wie aufgeschlossen und neugierig die Schülerinnen und Schüler aufeinander waren. Sie haben die neu gelernten Wörter und Sätze gleich ausprobiert.“, erinnert sich Eva Wolff Fabris an die Mittagspause, in der das Foyer „ihres“ Theaters von hungrigen Kindern geflutet wurde. Sie haben sich dabei nämlich nicht nur an den zwei Stationen mit kräftigen bayerischen Snacks versorgt. Sie sind auch in Kontakt und ins Gespräch gekommen. 

Als die Glocke zum dritten Mal schlägt, ist es endlich so weit: Theater! Die Stille aber hält nicht lang und soll sie auch gar nicht. „Also“, ruft Kájen ins Publikum, „Soll dieses Märchen bleiben oder nicht?“ „Jaaaaaa“ oder „Anoooooo“ – Keines der fünf Märchen fällt beim begeisterten Publikum durch. Es wird gebannt dem Geschehen gefolgt, aber auch laut regiert bei Ansprache. Als „Geld“ ins Auditorium fliegt, hält es niemanden mehr auf den Sitzen. 75 Minuten Vorstellung vergehen sprichwörtlich wie im Flug. Nur langsam leeren sich die Reihen des Theatersaals, als leider die Abreise ansteht. Jeder und jede bekommt eine Tüte des Rosenthal-Theaters mit auf den Heimweg. 

Wie fällt Ihr Fazit aus, Frau Wolff Fabris? „Ich hoffe, dass der Deutsch-Tschechische Theatertag das europäische Miteinander gestärkt hat. […] Trotz aller sprachlicher Unterschiede zeigte sich in der Vorbereitung, dass die Schülerinnen und Schüler in Asch und Selb dieselben Märchen kannten. Es gibt kulturelle Gemeinsamkeiten, die verbinden. Gerade Märchen offenbaren viel über die jeweilige Kultur. Spannend war auch, ob ein zweisprachiges Stück wirklich beide Sprachgruppen bedienen kann. Die Schüler/innen – tschechische oder deutsche – haben sich rege am interaktiven Theaterstück des Theaters Eger beteiligt. Dieses Projekt sollte den Freundschaftsgedanken der Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen in das Jahr 2024 weitertragen. Die Neugier an den Nachbarn sollte geweckt werden und der Spaß am Kommunizieren, auch jenseits der Wörter, gefördert werden.“ 

Und mein Fazit? So können sie im Idealfall aussehen, deutsch-tschechische Begegnungen und Zusammenarbeit, wenn „alles Gute zusammenkommt“, wie man so schön sagt. Das heißt vor allem, alle Akteure und Institutionen arbeiten zusammen und tragen zum Erfolg bei. Der erste Kontakt? Vermittelt im ersten Jahrgang von „Ein Jahr an der Grenze“. Sprachanimation durch TANDEM des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch (Regensburg/Plzeň). Anreise und Durchführung gefördert von Euregio Egrensis Arbeitsgemeindschaft Bayern, unterstützt von den Bürgermeistern aus Selb und Aš. Und natürlich bleiben das Theater Cheb und das Rosenthal-Theater Selb auch auf meinem Radar. Denn diese wundervolle Veranstaltung war erst der Startschuss, oder Frau Wolff Fabris? „Zukünftig soll es weitere Projekte dieser Art geben, denn da sich die Muttersprachen stark unterscheiden, muss in Grenzgebieten aktiv in eine Verständigung investiert werden.“ Recht hat sie! 

Steffen Retzlaff